Donnerstag, 21. September 2023

Alles hat ein Ende...

 Alles geht zu Ende, die Sonnencreme, die Fußcreme, das Blasenpflaster ( gerade sind alle verheilt) und auch unser Urlaub.

Wehmütig hänge ich meine noch nassen Socken letztmalig an den Rucksack. Heute laufen wir unsere letzte Etappe. Schade, gerade läuft es so gut. Der Kopf ist frei, das Wetter herrlich und das tägliche Laufen ein Bedürfnis.

Holger sieht es zwar ähnlich, aber er meint, jetzt reicht es auch mal wieder. Das Essen gehen findet er Klasse, aber das tägliche Waschen der Klamotten und die stinkigen Schuhe nerven ihn.

Wir schultern die Rucksäcke und  laufen zur Bar um zu frühstücken. Es sind frische 19°C. 

Auch unsere letzte Etappe verläuft heute hauptsächlich über geteerte Landstraßen und soweit das Auge reicht Felder, Felder, Felder. 

Wir schauen bei der Tomatenernte zu und unterhalten uns mit einem LKW- Fahrer, der die Tomaten in die Nähe von Parma in die Fabrik fährt. Er sagt uns " Rudolfi" und " Mutti" machen die besten Tomatensaucen.



Auf der abgeernten Reihe sehen wir einen Erntehelfer alle roten Tomaten, die die Maschine nicht aufgenommen hat, aufheben und auf die ungeernteten Reihen werfen. Ich frage mich, ob es nicht sinnvoller wäre, sie gleich in Eimern zu sammeln, denn ob die Maschine sie diesmal erfasst ist doch fraglich. Aber wenigstens bleiben sie hier nicht liegen.

Auf einem anderen Feld wird die Ernte vorbereitet, indem alle Plaste- Bewässerungsschläuche rausgezogen werden. Auch dies wird von Erntehelfern erledigt.

Unsere erste Station auf dem Weg ist das Kloster Abbazia di Chiaravalle della Colomba.  Vor der Abtei steht ein Denkmal für die Opfer aller Kriege.

Wir besichtigen in dieser Zisterzienzer- Abtei, die direkt durch Bernhard de Clairvaux gegründet wurde, die Kirche mit dem herrlichen Kreuzgang. Im Klosterladen bekommen wir von einem betagten, etwas mürrischen Mönch den Pilgerstempel.



        Ich finde es schlimm, dass so ein Schild notwendig ist!








Wir queren über eine große Brücke die Autobahn und die Bahngleise. Die Sicherung der Brücke lässt mich an einen Hochsicherheitstrakt denken.

Im Rhythmus unserer Schritte hängen wir unseren Gedanken nach. Inzwischen scheint die Sonne heiß herunter. Ich schaue mich um und frage mich, wo ist die Landschaft? Hier hat der Mensch jeden Quadratmeter Boden nutzbar gemacht. Landwirtschaft statt Landschaft!         Es fehlen Bäume, Sträucher oder Hecken. Kein Wunder, dass jedes Flussbett ausgetrocknet ist und die Brücken irrational erscheinen lassen.

Um so mehr freue ich mich, dass ich in der Nähe eines Gehöftes einen kleinen Feldhasen am Rand sitzen sehe.

An einem einsamen Grundstück im Nirgendwo ist eine Pilgerbank aufgestellt und die Schilder zeigen, dass 2/3 der Via Francigena geschafft sind, wenn man in Canterbury gestartet ist.

Wir treffen zwei Däninnen in Castione Marchesi in der Bar, welche auch Pizzeria und Tabacchi ist. Sie sind mit kleinen Rucksäcken unterwegs und erzählen, dass sie auf dem Sankt Bernhard gestartet sind und nun nach Rom laufen. Sie haben den Gepäcktransport über ein Reisebüro gebucht und meinten, es sei sehr schwierig gewesen, da es keinen Anbieter für die komplette Tour gab. Beschränkung heißt das Zauberwort, gibt Holger freundlich zu verstehen.

Wir machen hier Pause. In meinem Magen rumort es mal wieder und so bin ich vorsichtig mit zuviel Wasser trinken und mit dem Essen. Im kleinen Laden nebenan finde ich Bananen. Dazu suche ich Bitterschokolade und versuche mich verständlich zu machen. Die Frau ist sehr ambitioniert und versteht was ich suche. Sie geht in ihr Lager und kommt tatsächlich mit Schoki mit 76% Kakao von Lindt hervor. Perfekt. Dazu noch eine kleine Tüte Zwieback und schwarzer Tee.

 Holger geht heute noch mal in die Vollen und gönnt sich schon mal eine Pizza und ein kühles Bier zum Mittagessen.

Danach läuft er etwas langsamer hinter mir drein. Inzwischen sind Wolken aufgezogen und gleich fühlt es sich nicht mehr so heiß an.

Wir müssen zurück über die Autobahn und später über die Brücke des trockenen Stirone nach Fidenza hinein. Hier gibt es einen befestigten Rad- und Fußweg in die Stadt. Was für eine Freude nicht am Straßenrand laufen zu müssen.

Auf dem Rathausplatz sehen wir Werbung für den Kulturherbst in Fidenza.



Wir laufen zum Dom und setzen uns, um inne zu halten. Nun sind wir da! Unser Weg endet hier! Wir zünden zum Dank ein Lichtlein an und freuen uns gut, gesund, gebräunt und glücklich angekommen zu sein. (Mit einem Tropfen Wehmut bei mir.)






Im Dom treffen wir noch einmal Velia, die von uns ein Foto vor dem Dom knipst. Wir verabschieden uns noch einmal von ihr und wünschen ihr einen guten Weg.


In der Info bekommen wir den letzten Stempel in unseren Pass. Wir kaufen noch zwei verschiedene Magneten für unseren Kühlschrank und bekommen ein Stück Parmesan ( wir sind unweit von Parma). Eine Werbeaktion der Region. Auch um ein Bild mit Käse vor dem Dom werden wir gebeten. Dann laufen wir zu unserem letzten Hotel.

Es kommt plüschig daher. Der Chef kontrolliert noch einmal, bevor wir den Schlüssel bekommen. Was er kontrolliert hat ist mir rätselhaft. In der Dusche stehen noch die Flakons der Vormieter und der Staub auf Lampen und Schaltern ist knüppeldick. Die Handtücher sind frisch und die Dusche heiß... mein tägliches Pilgermantra!😇



Holger fällt aufs Bett und freut sich über den Abschluss. Unsere Gesamtbilanz des Urlaubs kann sich sehen lassen: 458 km zu Fuß in drei Wochen!




Abends drehen wir noch eine Runde durch die Innenstadt und wundern uns, dass sie so dunkel ist. Am Dom gehen dann plötzlich 19.40 Uhr die Lichter an und auf einmal erstrahlt alles in einem warmen Licht.


Am Theater stehen die Fenster offen und wir hören die letzte Arie eines Konzertes. Der Raum sieht von draußen wunderschön aus. Ein Blick auf die Theaterkasse ist möglich. 




Wir schlendern und finden eine kleine Selbstbedienungspizzeria. Hier finde ich die erste vegetarische Calzone und Holger isst eine Schiacciantine, was der Übersetzer als " zerdrückt" wiedergibt. Es ist eine gefaltete Pizza, die innen nach dem Backen noch mit frischen Tomaten und einer leckeren Soße verfeinert wird. Es ist eine Spezialität der Region.



Ein letztes Eis schleckern wir gemütlich auf einer Bank vor dem Rathaus. Ich das ganz Schwarze und Holger Erdbeer und Joghurt. Vier Kugeln für 5€, kaum zu glauben und extrem lecker.


Das war unser letzter Abend in Bella Italia. 

Unser Pilgerpass hat sich gut gefüllt und erinnert uns an alle Stationen des Weges.

Nun enden die Schlüsselerlebnisse hier. Morgen fährt unser Zug von Fidenza nach Mailand und nachmittags fährt der Flixbus in direkter Linie nach Leipzig.

Am Ende wie immer:

Nach dem Camino ist vor dem Camino!


 






 





 











Mittwoch, 20. September 2023

La Strada

 Als wir uns gestern die heutige Etappe anschauten war sofort klar, dass wird nichts. Es geht, so wie es reinging wieder auf der anderen Seite raus aus  Piacenza. Erst aus dem Stadtgebiet und dann kilometerweit an einer sehr stark befahrenen Strasse entlang. Das hat uns gestern schon viel Kraft und Laune ( Holger🫠) gekostet. 

Ich schaue nach einer Lösung und finde einen Bus, der direkt an den Pilgerweg fährt und uns so schon 5 km an der Straße erspart.

Das es die richtige Entscheidung war, stelle ich kurze Zeit später fest. Wir steigen aus dem Bus und müssen noch gut 3 km an dieser mörderisch lauten Straße ohne Bürgersteig am Fahrbahnrand laufen. Holger steckt mutig und stur seinen Stecken von sich, um die Autofahrer zum Ausweichen zu zwingen. Ich hüpfe öfter in den Straßengraben um sicher zu gehen, dass ich überlebe. 

Wir überqueren die Brücke über die Nure, die auch völlig ausgetrocknet ist und können endlich auf eine kleine Landstraße abbiegen. Ich merke, dass ich fast taub und sehr verspannt bin. Ich lasse die Schultern locker und wir laufen los. Das Asphaltband führt uns nach Pontenure. Auf einer Bank essen wir ein Cornetto crema zum Frühstück. In einen Coopmarkt kaufen wir fürs Picknick ein. An der Käsetheke erklären wir mit Zeigen und wenig Worten, was wir wollen. Genau wieviel wir wollen ist anhand von Messerrücken und auf das Stück zeigen auch einfach. Der Verkäufer macht eine Bemerkung zu seiner Kollegin und ich verstehe, dass er sagt: Die verstehen nichts! Frech! Zum einem haben wir beide das verstanden, zum anderen kann man einfach nett sein. Oder?

Vollgepackt stapfen wir weiter immer an kleinen Teerstraßen entlang. Weit und breit kein Strauch, kein Baum, keine Bank...nur wir in der Sonne und Acker, der schon umgegraben ist oder wo noch Mais steht.

In der Ferne sehen wir die Berge des Appenins und ich wäre so gerne....


Doch unser Weg ist hier und die Sonne meint es gut mit uns. Wir passieren kleine Weiler ohne Kirche, Bar oder Wasser. Das einzige Zeichen für Leben ist das Gebell der Hunde. Ein Schloss am Weg.


Ich fokussiere mich auf kühle Dinge. Der kühle Luftzug, der beim Öffnen des Kühlschranks entweicht, Schwimmzüge im See...Plötzlich fliegen zwei Fasane direkt neben uns im Straßengraben auf und sind mindestens genauso erschrocken wie wir.

Wir passieren einen verlassenen Friedhof ohne Wasser und weiter nur Straße, Asphalt, Hitze. Langsam brauche ich eine Pause. Wir kommen an einem großen Feld vorbei, es leuchtet uns rot an. Tomaten! Schnell pflücke ich vier fürs Picknick.

Es soll noch ein Schloss mit einem Garten und großen Bäumen vor Chero geben. Große Bäume versprechen Schatten, also laufen wir dahin. Das Schloss ist als solches nicht erkennbar und das Tor verschlossen. Also müssen wir weiter. Wir sehen aus der Ferne den Friedhof von Chero und große Bäume davor. Als wir näher kommen, entdecken wir auch eine Bank. Endlich Pause. Auf dem Friedhof gibt es Wasser, aber kein Trinkwasser. Zum Obst abwaschen geht es hoffentlich. 

Endlich Schuhe aus, die Picknickdecke über die Bank ausgebreitet und Pause mit Blick ins Maisfeld.

Gut gestärkt laufen wir weiter. An einem Spielplatz finden wir auch noch frisches Wasser zum trinken und über den Kopf gießen. Kurz danach kommt ein Lüftchen auf und Wolken ziehen herüber. Es läuft sich gleich besser.

Wir queren zwei weitere ausgetrocknete Flüsse und sind erstaunt darüber.

Jetzt kommen wir an riesigen Tomatenfeldern vorbei: mit Tomatenpflanzen, abgeerntete mit vielen liegengebliebenen ( die mich dauern, mein Hausfrauenherz sieht die Tomatensuppe) und auf dem Laster.





In der Ferne beobachten wir die Ernte. Eine Maschine fährt drüber und wirft so, wie ich es von Getreide kenne, die Tomaten ohne Grünzeug auf den nebenher fahrenden Laster. 

Endlich verlassen wir die Teerstraßen und laufen auf staubigen Feldwegen weiter in eine Senke. Hier liegen riesige Steine, um trockenen Fußes  über die Chiavenna zu gelangen. Doch die ist auch fast nicht mehr zu sehen. Ich frage mich, ob diese trockenen Flüsse mit der Bewässerung der Tomatenfelder zu tun haben. Normal ist das doch nicht.



Langsam kommen wir unserem heutigen Ziel näher. Nun wieder über Straßen geht es nach Fiorenzuola d'Arda. Vorbei am Palazzo Grossi gehen wir zum Dom, der von aussen eher bescheiden wirkt. Innen sehr imposant ist, auch wenn er ohne Beleuchtung auskommen muss.



Wir kommen in unserem Hotel trocken an und checken ein. Es gehört zur Kategorie, Hauptsache die Dusche ist heiß. Ein kurzer Schauer kommt, aber für uns nur unter der Dusche.


Abends gehen wir, wie sollte es anders sein, in die nächste Pizzeria zum Essen. Ja, wir essen wieder Pizza. Wir lieben es und essen jedesmal eine andere Kombination oder Variante. Es ist einfach unser Ding nach einem langen Marsch eine crosse, heiße Pizza zu genießen und nach dem Urlaub wird es dauern, ehe wir wieder Pizza in Leipzig essen werden, da wir verwöhnt sind.


Auch hier sind Schirme aufgespannt und gerade machen sie Sinn, denn es nieselt leicht.


Der freundliche Nachbar begegnet uns auf dem Rückweg. 

                   Buona notte!