Sonntag, 16. Mai 2021

Camino Duro

Die ersten 160km Pilgerweg und die erste Woche pilgern auf der Via Imperii liegt hinter mir und ich gönne mir gerade einen halben Pausentag auf der sonnigen Terrasse der Herberge im Göltzschtal. Das kurze Resümee der Woche wäre: Camino duro...Der harte Weg. Zwei Tage Hitze und danach zwei Tage Dauerregen, dazu der doch erst gewöhnungsbedürftige, schwere Rucksack und Kartenlesefehler, sodass jede Etappe über 20km lang wurde, zeigten mir dass ich mich nicht auf einem Sonntagsspaziergang befinde. Blasen über Blasen, " gebotoxte" Füße, prall und bar jeder Falte ließen mich erfahren, was es bedeutet" heiße Füße" zu haben. ABER das Pilgerhochgefühl, die Freude an der sich verändernden Landschaft, an den kleinen Wundern der Natur und die Begegnung mit den Menschen auf dem Weg stellen alles in den Schatten. Ich bin wieder unterwegs und glücklich, frei und unbeschwert ( wenn ich vom Rucksack absehe). Auf den ersten Tag folgte mein Tag mit der mir lieben Gesa. Sie hat Urlaub und da ich in Borna kein Bett gefunden habe, ist sie mit ihrem Auto am Dienstag morgen nach Borna gefahren,um mit der S- Bahn nach Böhlen zu kommen, wo ich auf sie warte. Wir wollen gemeinsam pilgern. Das Wetter ist wieder extrem heiß und schon den direkten Weg nach Rötha verpassen wir. Also laufen wir über Gaulis und machen aus 1,5km mal 4km. Danach kennen wir uns bis Kahnsdorf aus. Plappernd laufen wir durch den Tag und freuen uns auf ein Stück Kuchen bei der berühmten Bäckerei Bodenlos in Großzössen. Wir folgen der Lutherwegausschilderung und als wir im Ort fragen, erfahren wir, dass es hier seit Jahren keinen Bäcker mehr gibt. Das ist komisch. Wir fragen, wo wir sind und hören, dass wir in Neukieritsch sind. Ein Blick auf die Karte und einer auf unseren Kilometerstand macht uns klar: zurück auf den Weg und dann nach Borna übersteigt unsere Kräfte. Zu dem Bäcker kommen wir nicht, egal wie gut er ist. Also Blick nach Borna und 7km asphaltierten Radweg an einer verkehrsreichen Landstraße zu Gesas Auto. Wir stöhnen in der Hitze und halten ein kleines Päusschen im Schatten. Nach fast 23km sind wir am Ziel unseres Tages und am Ende unserer Kräfte. Beim Bäcker kaufe ich Erdebeerschnitte und dann geht es zu Gesa und einem ruhigen Abend entgegen. Beim Duschen entdeckte ich die ersten kleinen und eine große Blase an den Füßen.
Am nächsten Tag geht es zurück nach Borna und dann nach Altenburg. Die App zeigt für den ganzen Tag 100% Regenwahrscheinlichkeit und 3,5- 7 Liter Wasser. Was soll ich sagen? Es ist wie es ist und ich laufe den ganzen Tag durch einen unterschiedlich intensiven Landregen und nach 5 Stunden beginnen meine Füße zu schwimmen und die nächsten Blasen, teilweise unter dem Zehennagel entwickeln sich prächtig. Die Landschaft ist idyllisch und ich finde in einer offenen Garage ein trockenes Plätzchen, um mich wetterfest auszustatten. Für eine Mittagspause muss das Bushäuschen in Whyra herhalten. Die Wege werden platschnass Und ich bestaune Regenwürmer aller Art und Länge. Auf dem Campingplatz am Pahnaer See begegnet mir Elke mit ihrer Eselin, welche tropfnass und ergeben mit Elke unterwegs ist. Wir schwazen kurz und wünschen uns einen guten Weg. In Altenburg lerne ich Daniel, Andrea und Adele kennen. Sie haben sich getraut mir ein Bett zu geben. Wir kommen schnell ins Gespräch und unterhalten uns über Gott und die Welt. Zum Abendessen gibt es leckeren, gebackenen Blumenkohl und eine Brotzeit. Wir sitzen gemütlich am Tresen in ihrer Küche und haben uns viel zu erzählen. Doch die Müdigkeit lässt uns bald schlafengehen.
Am Donnerstag morgen bekam ich ein Verwöhnfrühstück bevor ich mich auf den Weg in einen neuen Regentag mache. Mit meinem roten Regencape und den Stöcken mache ich die Hunde ganz kirre und jeder kläfft mich an. Der Weg wechselt zwischen Asphalt- Feld- und Wiesenwegen. Meine malträtierten Füße freuen sich über weiche Schlammpisten und wasserverfüllte Wiesenpfade. Ich erfreue mich an der langsam hügelig werdenden Landschaft. In Saara gibt es wieder ein Bushäuschen für die Mittagspause und dann ist Endspurt auf Crimmitschau. Für die Kaffeepause findet sich kein trockenes Plätzchen und so klingel ich an einem Wohnhaus und darf auf der überdachten Terrasse pausieren. Ich bekomme sogar heißes Wasser und mit meinem Kaffeepulver belebe ich meine Sinne und kann die Etappe mit ca.29km beenden. In Crimmitschau holt mich Beate, eine Tagesmutter aus Glauchau ab, bei der ich heute zu Gast bin. Wir sehen uns, verstehen uns und verbringen einen sehr angeregten Abend miteinander. Ich koche uns Gemüsenudeln mit Ingwer und wir reden über pilgern, wandern unser Leben und unsere Arbeit. Ich falle müde in mein Bett. Nach einem gemeinsamen Frühstück fahren wir nach Crimmitschau zurück, wo Beate ihr Auto stehen lässt und mit mir nach Zwickau pilgert. Am Anfang tröpfelt es, doch dann bleibt das Wetter stabil. Wir reden, laufen und verlaufen uns auch. Der Weg ist wunderschön und geht erst an einem Flüsschen und später an der Mulde entlang. Diese ist ganz schön angeschwollen und fließt recht schnell daher. In Zwickau gönnen wir uns bei einem Biobäcker einen Latte macciatto und ein mächtiges Stück Donauwelle. Das haben wir uns nach 26,5km verdient. Ich bringe Beate zum Bahnhof und wir verabschieden uns herzlich. Eine Begegnung, die hoffentlich noch nicht vorbei ist. Ich gehe mich noch einmal testen lassen.Negativ! Juhu, es geht weiter!
Bei Frau ,Bohlmann bekomme ich den Schlüssel für mein Nachtquartier. Es wurde von ihr und Frau Goldberg( welche ich garnicht kennenlernen konnte) liebevoll mit Willkommensgruß vorbereitet. Frau Bohlmann ist eine sehr warmherzige, ältere Dame, die mir Bademantel, Badkristalle und ein Kuschelhandtuch gibt, damit ich ein Entspannungsbad nehmen kann. Meinem Körper gefällt das heiße Wasser, aber die Füße pulsieren. Also halte ich sie des öfteren unter den kalten Wasserhahn und genieße meinen Spa. Ich unterhalte mich am Abend und erzähle von meinen Erlebnissen und Frau Bohlmann gibt mir einen kleinen Einblick in ihr Leben. Was für ein Erlebnis Am Morgen bekomme ich wieder ein ausgezeichnetes Frühstück, Proviant für den Weg und ganz liebevolle Worte. Ich bin sehr berührt und freue mich an ihrer Herzenswärme.
Nun geht es von Zwickau nach Reichenbach. Das Wetter ist stabil und frisch windig. Die Landschaft wird jetzt richtig hügelig und ich habe schöne Weitblicke. Die Füße freuen sich über aufgeweicht Pfade und stöhnen bei Asphalt. Die Sinne sind geschärft und die Gedanken laufen in alle Richtungen. Ich freue mich, dass ich vorwärts komme und ich langsam die Blickwinkel meines Pilgerführers verstehe und mich mal nicht verlaufe. In Reichenbach gehe ich zur Peter- und Paulkirche und lasse sie mir vom Pfarrer aufschließen, um innezuhalten und für den Tag zu danken. Ich bekomme meinen Pilgerstempel und als ich aus der Kirche trete, regnet es. Also doch noch einmal rotes Regenmonster sein und die letzten Kilometer zu meinem heutigen Bett laufen. Bei Familie Krien werde ich sofort von Magda, einer Tochter, empfangen und von der Familie lieb aufgenommen. Der Sohn hat für mich sein Zimmer aufgeräumt und abgetreten, was ich toll und sehr nett finde. Nach dem Ankommen und frischmachen ist der Grill schon heiß und ich bekomme ein leckeres Abendessen und wir, also ich die drei großen Kinder und die Eltern unterhalten uns wunderbar. Das Pilgern interessiert sie alle und so schauen wir abends bei einem schönen Glas Rosé die Bilder meiner Spanienpilgerzeit an. Ich falle spät, glücklich und dankbar ins Bett. Morgens treffe ich Magda in der Küche an und wir schauen uns zusammen die Bilder auf meinem Handy und im Pilgerführer an, bevor alle Anderen startklar für den Gottesdienst sind. In der Stadtkirche von Myhlau gibt es einen Gottesdienst umrahmt von dem Klang einer Silbermannorgel und der herrlichen Stimme eines Basses. Die Pfarrerin hält eine für mich sehr passende Predigt zum Thema, Wasser, Durststrecke und Dürsten. Sehr schön nach einer für mich sehr langen " Durststrecke", denn in Leipzig habe ich noch nicht die zu mir passende Gemeinde gefunden. Danach fahren wir an die Göltzschtalbrücke und machen ein Erinnerungsfoto. Zurück im Haus gibt es ein leckeres Frühstück und stärkende Gespräche, bevor ich auch hier auf WIEDERSEHEN sage und es auch so meine.
Es ist für mich ein sehr beglückendes Erlebniss all diesen Menschen zu begegnen und ich bin jeden Abend sehr aufgedreht und begeistert, sodass ich lange brauche, um zur Ruhe zu kommen. Was für ein Weg!?! Eine kurze Etappe bringt mich zur rustikal, liebevoll ausgebauten Herberge, wo ich jetzt auf der Terasse sitze und in dieses Handy tippe. Die Wirtsleute haben mir ein hübsches, kleines Zimmer hergerichtet und ich bin der einzige und erste Gast des Jahres. Ich werde sogar bekocht und durfte mir etwas wünschen. Das ist doch Service und Liebe zum Metier. Ich schone und verwöhne meine Füße,denn morgen geht es weiter...

7 Kommentare:

  1. Liebes Schwesterherz, ich laufe in Gedanken mit Dir.Hoffentlich heilen Deine Füsse schnell.Weiterhin viele gute Begegnungen und tolle Erlebnisse.

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  2. Liebe Bruni, wir waren schon besorgt, so lange nichts von dir zu lesen. Jetzt freuen wir uns umso mehr über deine Erlebnisse, Begegnungen und die tollen Bilder, die alles so wunderbar illustrieren! Wetter und Füße werden besser, versprochen! Wir denken an dich, Gunther und Claudia

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  3. Die Blase sieht schon von ansehen schmerzhaft auf. Alles gute auf dem weiteren Weg. Auf besseres Wetter und heile Füße. Liebe Grüße Susi

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  4. Liebe Bruni, danke für deinen spannenden Bericht.
    Für die nächsten Strecken wünsche ich dir angenehmeres Wetter und Blasenfreie Füße. Möge dich ein Schutzengel begleiten und du immer ein warmes Nachtlager finden. Liebe Grüße von Regina

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  5. Hallo ihr Lieben, vielen Dank für eure lieben Worte. Die Blasen werden besser und die Begegnungen entschädigen alles. Es sind so viele wunderbare Menschen am Weg, die mir Gutes tun und mich begleiten. Schritt für Schritt geht es weiter. Bruni

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  6. Liebe Bruni, wir sind begeistert und sehr stolz auf dich! Alles Liebe auf deinen weiteren Weg. Victoria würde dir am liebsten hier eine lange Sprachnachricht schicken, die Zusammenfassung der Botschaft ist "sie schickt dir ein GROßES Herz"
    Liebe Grüße, Tania, Victoria und René

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  7. Liebe B runi, Du bist einfach super. Nicht nur, das Du toll schreiben kannst, sondern auch noch herrliche Bilder machst.
    Wir drücken die Daumen,, dass die Füsse sich regenerieren!!Es ist 23.30 und wir haben begeistert Deinen Blogg gelesen. Weiter so!! Und immer guten Weg. Liebe Grüsse Helga und H-j

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