Freitag, 30. Juli 2021

Urlaub vom Pilgern

 Wir Pilgern nun seit vier Tagen gemeinsam und seit Holger da ist, ist es sonnig und heiß. Wenn Engel reisen... Die Füße sind momentan blasenfrei und auch längere Asphaltphasen überstehen wir mit stoischer Gelassenheit. Der Blick in die Bergwelten entschädigt für alles. Meinen Rausch darüber habe ich schon oft beschrieben, deshalb lasse ich einfach die Bilder sprechen.














Die Tage mit Holger sind so ganz anders, als die bisherigen Pilgertage. Es ist so, wie ich es schon erlebt habe, dass die Wahrnehmung von einem oder zwei Pilgern eine völlig andere ist. Zu zweit ist man in einer " Blase", im eigenen Pilgerkosmos und dadurch ergeben sich kaum spontane Gespräche. Wenn ich allein auf einer Bank sitze oder um Wasser bitte werde ich oft in ein Gespräch verwickelt. 

Die Gelassenheit, die ich bei der Unterkunftssuche habe, fehlt Holger komplett. Er ist immer am Vorrausdenken, planen, organisieren ...und wird nervös, wenn er nicht weiß wo er heute abend oder morgen abend schläft. Dass führt dazu, dass er jeden Tag irgendwo ein Hotelzimmer bucht, um Sicherheit zu haben. Für mich ist das anstrengend, weil ich gern auch etwas dem Zufall überlassen würde bzw. etwas Spontanität genieße. Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ein Doppelzimmer selbst im Sternehotel im Verhältnis günstiger ist, als jedes Einzelzimmer im extrem teuren Südtirol. Von daher habe ich beschlossen "Urlaub vom Pilgern" im klassischen Sinne zu nehmen und dieses Luxuspilgern ( gerade liege ich am Pool mit Blick in die Berge) zu genießen. Holger sagt sich flott: Sch...drauf, das Leben ist zu schön, um zu sparen und schließlich hat er Urlaub.

Auch beim Unterwegs sein ist es ein anderes Gefühl. Wir reden und schweigen miteinander,  aber diese Momente die Seele baumeln zulassen, indem ich mich einfach unter einen Baum setze und in die Ferne schaue, die sind Holger zu langweilig ( außer auf dem Berg mit einem kühlen Hefeweizen). Pausen sind ihm nicht so wichtig, wie das Ankommen. Ich fühle mich ein bissel getrieben, doch möchte ich ihn nicht missen. Es gibt für alles seine Zeit. Jetzt spule ich einfach in einen anderen Modus um! Ich genieße es Hand in Hand mit ihm durch Brixen zu bummeln, ein Glas Wein zu trinken, beim Frühstück und jedem anderen Essen nicht allein zu sein, hinter ihm zu laufen und alles auch mit seinen Augen zu sehen. Es ist eine für mich kostbare Zeit und wenn er wieder nach Hause muss, kann ich es langsamer angehen.

Der Übergang vom deutschen in den italienischen Sprachraum merken wir bisher noch nicht, denn hier spricht noch jeder deutsch. Wir lesen die zweisprachigen Schilder laut, um ein Gefühl für die Sprache zu entwickeln. Das wird für mich die größte Herausforderung,  wenn ich allein durch Italien wandere. Keine Fremdsprache beherrsche ich richtig, mein Mut falsches zu sagen, Sprachfragmente, Hände, Füße und ein fröhliches Lachen sind meine Mittel zur Verständigung. Es wird schon klappen.












Mittwoch, 28. Juli 2021

Italia stiamo arrivando

 Heute morgen ging es einen sehr steilen Pfad, über eine Wiese auf einen schmalen Waldpfad immer aufwärts, unter der riesigen Autobahnbrücke hindurch nach Nösslach. Von da geht es auf einem unbefahrenen Asphaltsträßchen weiter und wir laufen über dem Niveau der Autobahn. Danach geht es steil abwärts,  unter der Autobahn hindurch nach Grieß. 

Laut unserem Pilgerführer geht es von hier direkt auf der Bundesstraße ( ohne Rad- oder Fußweg) 5km auf den Brenner rauf. Neben der Bundesstraße verläuft die Autobahn und die Bahngleise. Ein nicht ganz ungefährliches Stück, was uns nicht wirklich reizt. Wir laufen bis zum Ortsrand und an der Tankstelle steht ein VW- Bus mit Leipziger Kennzeichen. Ich frage die jungen Leute, ob sie uns dieses Stück mitnehmen können. Kein Problem! So mache ich den km- Zähler aus und wir umgehen dieses für uns schwierige Stück Weg. 

Oben steigen wir aus und laufen zu Fuß über die Grenze und halten es mit Fotos fest. 

WIR SIND IN ITALIEN! 

Ich habe es von Leipzig bis hier her geschafft und freue mich riesig und bin happy. Was für ein Weg! 44 Etappen und knapp 900km später...


Oben, gleich nach der Grenze gibt es ein großes Shopping- Outlet- Center und wer Holger kennt, weiß was jetzt passiert! Wir laufen durch und erneuern einiges von unserer Ausrüstung. Wir können es nicht lassen.

Danach liegen 10km bergab vor uns. Auch hier geht es an der Bundesstraße und Autobahn entlang, allerdings auf einem separaten Radweg, der auf dem alten Bahndamm erbaut wurde. Nach zwei Kilometern wird der Abstand größer und es gibt oft links oder rechts die Möglichkeit auf Rasenstreifen und später auf einem breiten Schotterstreifen dem Asphalt zu entgehen. Wir hatten es uns schlimmer vorgestellt. Ich finde es witzig, durch die alten Tunnel zu laufen. Als wir wieder rauskommen, regnet es. Wir essen einen Apfel und Müsliriegel im Tunnel und streifen die Regencapes über. Der Regen hört wieder auf und wir laufen steil bergab nach Gossensaß, wo wir nach einem Bett schauen. Der Regen setzt wieder ein und rundum ist es wolkenverhangen. Der 1. Gasthof ist voll, der Zweite hat Ruhetag. Aber ein pfiffigen Kellner bietet uns an, bei seiner Schwester anzurufen. Sie hat auch ein Hotel und ein DZ frei. Also laufen wir dahin und checken in einem sehr vornehmen Hotel ein. Kaum sind wir im Zimmer, schüttet es aus Eimern und es bleibt die nächsten Stunden dabei. Wir freuen uns drin zu sein.

Auf dem Kilometerzähler stehen trotzdem 20km und maximale Höhenmeter: 1800 ( davon 1300 abwärts).

Dieses Häuschen gehört zu einem alten Ensemble, alleinstehend, direkt am Fahrradweg. Mein neues Projekt- hier eine Pilgerherberge zu bauen, mit Biergarten, löst bei Holger Skepsis aus! Naja, erst einmal laufe ich nach Rom und dann kann ich versuchen ihn für das Projekt zu begeistern.🤣

Dienstag, 27. Juli 2021

Zweisamkeit

Die Etappe nach Innsbruck war in der zweiten Hälfte nicht vergnügungssteuerpflichtig, denn ich lief direkt neben der Leitplanke der Autobahn auf dem Inntalradweg. Ich habe meinem Führer vertraut und sehe nun im " Autorausch" auf der anderen Innseite eine kaum befahrene Landstraße und später eine Badestelle, wo ich am Ufer hätte laufen können.

Endlich kommt eine Brücke und ich schere aus. Da erwartet mich ein wunderschöner Fußweg, getrennt vom Fahrradweg, direkt am Inn entlang, wo ich die Füße kühlen kann. Ich laufe beschwingt weiter, denn ich bin dem Stress entronnen. An einem Haus bitte ich um Wasser und bekomme kaltes Wasser aus dem Gartenschlauch. So laufe ich bis zur Brücke vor dem Jakobsdom und quere den Inn noch einmal, um vorbei am goldenen Dachl  zum Dom zu laufen. Ich bin angekommen! Hurra! Per Telefon bekomme ich die Wegbeschreibung zur Herberge und den Code für die Schlüsselbox.

Gerade rechtzeitig, vor einem Gewitterguss beziehe ich das " Klara- Zimmer" in der Herberge. Ich dusche, wasche Wäsche und laufe durch die Innenstadt. In einer Pizzeria an der Fußgängerzone setze ich mich hin und genieße eine Pizza Rucola mit Oliven und Schafskäse.  Sehr lecker. Dann gehe ich früh schlafen.



Am Sonntag gehe ich zur Messe anlässlich des Weltpilgertages. Katholische Messen geben mir nicht viel, doch die Musikeinlagen sind sehr schön. Anschließend nehme ich den Ruhetag wörtlich und lege mich ins Bett, lese und schlafe noch ein Stündchen. Ich gehe zum Bahnhof und Holgers Zug soll 30 Minuten Verspätung haben. So setze ich mich in den Warteraum mit Blick auf die Uhr. Plötzlich steht Holger vor mir! Der Zug hatte doch nicht soviel Verspätung und er hat mich gefunden. Prima, so plötzlich kommt es mir noch unreal vor. Wir bringen Hand in Hand Holgers Rucksack in die Herberge. Zusammen laufen wir durch die Altstadt und essen draußen vor dem Stiftskeller deftig Tiroler Schmankerln. Geht auch Vegetarisch.

Danach bummeln wir zusammen zurück. Holger meint er könne so früh ( 20Uhr) nicht schlafen, doch die Natur hat geht ihre eigenen Wege.

Linke und rechte Flasche bitte nicht verwechseln!😇

Montag morgen gehen wir noch etwas Proviant kaufen, frühstücken in einem türkischen Kaffee. Der Himmel ist voller Wolken und lässt Regen ahnen. In der Post schicke ich den alten Wanderführer und mein volles Tagebuch zurück. 500gr weniger tragen, dass lohnt sich. Als wir rauskommen reißt der Himmel auf. So soll es sein. 

Danach geht es los, gemeinsam, nicht mehr einsam. Ich schaue immer wieder zu Holger, da ich es immer noch nicht glaube, dass er da ist. Ich freue mich!

Unsere erste Anlaufstelle ist das Kloster Wilten, doch den Pilgerstempel gibt es nicht mehr.  Es geht aus Innsbruck steil bergauf hinaus. Die Wege sind abwechslungsreich und die Ausblicke, Weitblicke, Rückblicke und Rundblicke sind wieder gigantisch, unfassbar schön und Holger versteht meine Happyness. Auf einem Kinderspielplatz muss ich schaukeln. Wahnsinn.


Das Wetter spielt mit, doch auf freiem Wiesen weht ein kräftiger Wind, sodass die Temperaturen angenehm sind. Die erste Etappe ist zum warmlaufen und mit 16,5 km und etwas über 1000 maximalen Höhenmeter nachmittags geschafft.

Holger hat unser erstes Hotel gebucht. Grandios! Ein altes Haus, mit Tiroler Bauernmalerei verziert und das Zimmer modern in Holz, mit bodentiefer Glasdusche. Das Highlight ist eine eigene Wärmekabine in der ich natürlich 45 Minuten vollständig entspannen kann. 

Nach einem netten Frühstück schnüren wir unser Ränzlein und begeben uns zur nächsten Etappe in Richtung Italien. Der Himmel ist wechselnd bewölkt und die Temperaturen angenehm zum Laufen. Wir folgen auf weiten Strecken dem Wipptaler Wanderweg und er führt uns immer wieder über schöne Almwege oder romantische, schottrige Waldwege. Kleine Asphaltstrecken nehmen wir gelassen und oft geht es steil bergab und bergauf. Auf der anderen Seite verfolgen wir den Verlauf der Brennerautobahn und meist sind wir über deren Niveau, aber auch unter diesem. Die Blicke darauf und die riesigen Brückenbauwerke erinnern uns an Spielzeugeisenbahnplatten. Bizarr! Immer wieder Rauschen oder plätschern Bergbächlein unter Brücken hindurch und wir lauschen dem klarenWasser.

Oben: Richtfest am Spielhaus

Unsere erste kleine Pause halten wir am Bildungshaus St. Michael. Weiter geht es und die Wiesen blühen voller Kräuter und Gräser. Der Weizen beginnt sich golden zu färben und wiegt sich im Wind, der uns auf freien Flächen kräftig anpustet.  Wir kommen nach Steinach und verlassen den Weg, um im Ort in einer Bäckerei einen großen Milchkaffee und Schokohörnchen bzw. Apfelstrudel zu genießen. Oben, wo es nur noch ein, zwei Bauernhöfe gibt, begegnet uns eine Kehrmaschiene. Die Ösis halten ihre Orte sauber. Wir sind begeistert! Überall am Weg gibt es zahlreiche Bänke, Papierkörbe und Hundetütchen. Sehr vorbildlich! Das schafft Leipzig nicht einmal in der Innenstadt!

Frisch gestärkt gehen wir die letzten Kilometer an. Nun kommen wir auf den Padaster- Panoramaweg, der wie der Name es verrät  weitere bezaubernde Blicke in Täler und Berge erlaubt. Natürlich wieder rauf und runter und wir schrubben Höhenmeter. Ein kurzer Regenschauer sorgt für eine kleine Abkühlung unserer erhitzten Körper. In Stafflach führt ein sehr schmaler,  steiler Waldpfad hoch und runter nach St. Jodok, wo wir ein Bett im Gerarer Gasthof  reserviert haben. Ich habe den Eindruck, je höher die Höhenmeter desto höher die Preise. Der Gasthof hat auch schon bessere Zeiten gesehen und das Zimmer wirkt ziemlich altmodisch und ist uns eigentlich zu laut. Vor dem Fenster verläuft in geringem Abstand die Bahnlinie und die Hauptstraße des Ortes. Der Wirt meint, wenn wir das Fenster schließen, hört man nichts. Aber das können wir uns nicht vorstellen. Daraufhin zeigt er uns ein Deluxezimmer, das schon etwas moderner ist und das Fenster zur Seite raus hat. Holger ist das ein Aufpreis von 10€ wert. O.k.  das Luxuspilgern mit Holger hat begonnen. Ich bin sauer, dass die beworbene Sauna im Sommer garnicht an ist. Ich frage mich, was hier die 104€ rechtfertigt. Aber das sollte ich mich nicht fragen, sondern mich einfach freuen mit Holger gemeinsam hier zu sein.

Wir gehen zum Essen und sitzen neben dem Stammtisch. Hier gibt es genau dieselbe Wolfsdiskussion wie wir sie aus der Lausitz kennen. " www.ohnewolf.at". Draußen regnet es in Strippen und ich esse einen Kaiserschmarrn, dass einzige vegetarische Gericht auf der Karte. Damit habe ich aber kein Problem. Holger ist den zweiten Tag in Folge Wiener Schnitzel. Mein Teilzeitvegetarier!😀 Der Wirt kommt vorbei und hat festgestellt, dass wir ein ruhiges Zimmer bestellt haben und nimmt den Aufschlag zurück. Prima! Voll süß!



Freitag, 23. Juli 2021

Grenzüberschreitungen

 Gestern Abend schlief ich bereits, als die Kinder noch vor meinem Fenster auf der Wiese rumtobten.

Heute morgen werde ich 5.30 Uhr vom wütenden Gebrüll eines kleiner Tyrannen im Zimmer über mir geweckt. Kurzes Gezeter, dann ist Ruhe und ich schlafe bis 7.30 Uhr. Beim Frühstück um acht, bin ich die erste und stelle mit bedauern fest, dass die schnuckelige Kaffeemaschine nicht angestellt ist. Aber Filterkaffee mit heißer Milch auf der Terrasse mit Blick in die Berge ist schon ein Highlight. 

Eine halbe Stunde später starte ich in einen sonnenstrahlenden, himmelblauen Wandertag und allein auf den Buckelwiesen ist das Leben so surreal. Ich merke wieder, dass ich ein Berg- und Sonnenkind bin. Habe ich Beides gibt es nichts, was unmöglich erscheint. Ich bin einfach glücklich und dem Himmel nah. 

Es gibt zwei Varianten nach Mittenwald und ich entscheide mich für die Längere, denn der Weg ist nicht asphaltiert. Die Erste richtige Entscheidung des Tages, denn ich laufe fast ausschließlich auf Wirtschaftswegen am Schmalsee ( leider kein Badesee) vorbei und komme ziemlich zentrumsnah in Mittenwald an. Der Ort ist voller Touristen und die Häuser sind wunderschön bemalt. Leider stören Sonnenschirme, Werbung und Warenständer den ungetrübten Blick. In der hübschen Kirche hat jedes Mitglied sein Namensschild. Eine nette Geste.



Ich komme an einem Sportgeschäft vorbei und kaufe ein blaues Regencape. Eigentlich sollte es Holger besorgen, denn seines ist alt und nicht mehr ganz dicht. Aber irgendwie hat er es nicht geschafft. Der Auftrag war blau oder grün, damit ich es am Ende des Urlaubs gegen mein Rotes tauschen kann, um die Hunde weniger aggressiv zu machen. Also trage ich es jetzt ein bissel mit, aber der Rücken hat sich an den Rucksack gewöhnt. Ich entziehen mich dem Trubel und begebe mich auf einen traumhaften Wanderpfad direkt am Ufer der Isar entlang. Selbst die Radfahrer haben eine eigene Piste und so laufe ich allein über knorrige Wurzeln, Kiefernadel bestreuten Wegen, durch kleine Krüppelkiefern und die Sonne knallt herunter. An einer seichten Stelle ziehe ich die Schuhe aus und kühle meine Füße im eiskalten Wasser der Isar.

Dann geht es weiter und ich komme nach Scharnitz und habe somit die erste Grenzerfahrung des heutigen Tages erreicht. Ein Selfie und dann im Gemeindeamt den ersten, österreichischen Stempel im Pilgerpass. Die Damen staunen, denn ihnen war nicht bewusst,  dass ein Pilgerweg hier entlang führt.

 
Dann sehe ich eine Bäckerei und mein Herz schlägt höher. Ich bin im Land der Schnitten: Kardinalsschnitte, Topfenschnitte, Hussarenschnitte....und Kremschnitte! Die erste süße Sünde muss sein!


Nun geht es am Gießenbach entlang, hoch und runter in Richtung Seefeld. Manchmal verpeile ich den Weg, doch finde ich ihn wieder. Als nix mehr klar ist und kein Empfang, frage ich einen Autohändler und er schickt mich auf den richtigen Weg. Der direkte Weg zur Bodenalm führt mitten durch eine Kuhherde.  Ich allein mit 20 Kühen, dass kriege ich nicht hin und so nehme ich einen alternativen Weg, der bergan führt. Von oben sehe ich, wie die Kühe tatsächlich den ganzen Wanderweg lang traben. Was bin ich froh, dass ich mich für den Höhenweg entschieden habe. Ein paar Kilometer weiter gibt es eine Querverbindung zurück und ich bin wieder richtig. Allerdings wird es langsam beschwerlich. Die Sonne brennt mit 28° und mein Wasser wird knapp und heiß. Zum Glück kommt ein Gebirgsbach nach unten und ich kann mir das Gesicht kühlen und einen kräftigen Schluck trinken. 
So komme ich ziemlich erschöpft in Seefeld an und setze mich in den Kurgarten. Ich ziehe Schuhe und Socken aus und esse meine Käsebrötchen und eine Birne und ruhe mich aus. In der Info frage ich nach den Coronaregeln und seit gestern muss ich mich nicht mehr registrieren lassen. Super.
Ich laufe durch die krachend, volle Stadt und staune über die vielen Leute und Geschäfte. Wirklich alt ist nur die Kirche und das Kloster, dass heute ein Hotel ist.


Eine knackige Burschenband spielt mir ein Begrüßungsständchen. 




Allen Protz schlägt dieses Eisplakat! Wirklich, wahrhaftig gibt es da Eis für den Hund. Die Welt hat Probleme!

Ich muss noch weiter laufen. Holgers Hysterie, dass ich kein Bett finde, hat mich so nervös gemacht, dass ich, ohne auf die Kilometer zu achten, ein Bett in Reith bei Seefeld gebucht habe.
An dem Seekirchlein nimmt das Drama seinen Lauf. Ich lese den Führer, begebe mich mit Google zu der erwähnten Straße und laufe dann rechts auf den Wanderweg. Der ist kurze Zeit später gesperrt und ich gehe die Umleitung. Mir begegnen drei Wandermädels und ich frage, ob ich richtig bin. Sicher sind sie sich nicht, aber es ist eher falsch. Ich gehe zurück und frage einen Mopedfahrer, der mich zur Kirche zurück, dann rechts und durch die Unterführung schickt.  Dort angekommen stehe ich vor einer Skipiste an der Talststion. Ich frage und werde die Treppe hoch und dann links über den Berg und dann rechts runter geschickt. Ich hebe die Füße an der Treppe nicht richtig ( leichte Ermüdungserscheinung) und stürze sie rauf. Nun habe ich auf dem rechten Schienbein einen Rasterabdruck der Treppe. Bingo, kein Tag ohne Missgeschick. Ein buntes Gesicht ist mir zu wenig und die Blasen reichen auch nicht! 
Oben angekommen ist der ganze Berg eine einzige Baustelle: Bulldozer, Planierraupe, Bagger, Schlamm...Ich sehe den See und laufe am Rand der Baustelle über eine abgesoffene Wiese und komme endlich auf den richtigen Weg. Eine Stunde bis zum Ziel.
Ich laufe in ein neues Tal und habe wieder gigantische Ausblicke auf neue, schroffe Berge. Sofort ist meine Laune gerettet und ich könnte heute 1000 Bilder machen, weil es so schön ist. Jetzt läuft es sich auf der Zielgeraden noch einmal relativ flach, bevor ein Abzweig kommt. Statt Google zu fragen ( mein Akku ist nach neun Stunden ziemlich leer), frage ich einen Mann ob " Auland- Reith" der Weg nach Reith sei. Ja, ja immer gerade aus. Es geht bergauf und bergab und wieder zweigt der Weg. Mein Hotel steht angeschrieben und so kann es nicht mehr weit sein. Denke ich! Wieder eine Kreuzung. Ich will Google fragen, da hält ein Radler und fragt freundlich, ob er helfen kann. Ich nenne das Hotel und es geht BERGAB bis zum Bach, über die Brücke und dann BERGAUF durch die Autobrücke in den Ort. Ich war also falsch und der richtige Weg wäre kürzer gewesen. Hätte, hätte....es nützt nichts. Ich schleppe mich zum Hotel und komme nach über 10 Stunden an! Am Ende bin ich 33,4km gelaufen, eine Grenzerfahrung bei 28°C und dann habe ich auch noch 1211 maximale Höhenmeter zurückgelegt! Wahnsinn, auch hier habe ich eine Grenze überschritten. In den ersten Alpentagen blieb ich immer unter 1000 maximalen Höhenmeter.  Kein Wunder dass die Fußsohlen brennen. Ich will eine heiße Dusche. 
Im Hotel ist gerade Abendessen- Stress, denn von 19- 20 Uhr gibt es dieses. Ich werde kurz abgefertigt und gefragt, ob ich auch essen will. Da es bereits 19Uhr ist, ist mir dass zu hektisch. Hunger habe ich nach der Tour auch nicht, nur Durst. Die Wasserleitung liegt im Zimmer und so brauche ich mich nicht mehr fort zubewegen. Das Zimmer ist recht klein, dunkel, hellhörig und mit Blick in den Hinterhof. Für fast 50€ ein Schnäppchen. Egal, das Bett ist breit und die Dusche heiß. Mehr brauche ich heute nicht.
Und das WLAN hier ist schnell, deshalb tippe ich die neusten Ereignisse in mein Handy und stelle euch den Tagesbericht noch ins Netz.
Morgen laufe ich nach Innsbruck und am Sonntag kommt Holger. Dann wird es gemütlich und wahrscheinlich luxuriöser. Davon werde ich berichten.
Gute Nacht!

Alpenglück

 Ich werde wach und die Sonne lacht. Ein Blick in den Spiegel zeigt: mein Gesicht treibt es bunt. Das Frühstück lässt keine Wünsche offen und ich packe mir noch etwas für unterwegs ein. Dann starte ich fröhlich in die nächste Etappe nach Garmisch-Partenkirchen. Der Morgen ist noch jung und Oberammergau ist noch nicht erwacht, sodass die Straßen mir gehören und ich mich noch ein wenig umschauen kann. 

Dann geht's los und der Weg verläuft als Fahrradweg immer an der Ammer entlang. Hinter einem Grünstreifen verläuft die Straße.  Ich wende meinen Blick den Bergen zu und blende die Störgeräusche aus. Die Berge sind gigantisch und die Sicht phänomenal. Wer hier geboren wird ist schon privilegiert. Endlich verlasse ich den Radweg und laufe steil auf den Vogelsberg. Im Wald plätschern kleine Bächlein, die Vögel singen, die Tannen Rauschen im Wind...Ich fühle Alpenglück. Unter einer riesigen Tanne steht eine Sonnenliege und ein Goethe-Zitat. Ich lege mich hin, horchen, lausche, rieche, sehe...was für ein Kraftort.




So erreiche ich das Kloster Etal und bin von der Größe beeindruckt. Es beherbergt neben Laden, Hotel, Brauerei, Liquerfabrik auch ein Gymnasium. Die Schüler haben gerade Hofpause und toben über die Bänke rum. Eine Führung ist auch im Gang und der Guide trägt seine Tracht im Sommerlook. Man beachte das Beinkleid!


Steil geht es bergab ins Loisachtal und hier gibt es große Hinweisschilder für Radler, dass dies eine Schiebestrecke ist. Der Weg ist steil, schottrig, teilweise von Wasser unterstützt und rutschig. Ich halte mich an meinen Stecken fest, denn noch eine Fallprobe möchte ich nicht erleben.

In Oberau angekommen, hole ich mir in der Touri- Info einen Stempel und Fülle die Wasserflasche auf. Der Wanderweg ist jetzt ein traumhafter Bergweg durch Weiden und Wäldchen und hier begegnen mir viele Wanderer und Spaziergänger, die zum Kuhwasserfall laufen. Ich zweige vorher auf den Philosophenweg ab und bekomme an jeder Bank ein Zitat zum Nachdenken. Ich habe herrliche Blicke in die Bergpanoramen und bin soooo glücklich. Ich liebe die Berge und merke es gerade wieder.





So komme ich zur Wallfahrtskirche St. Anton in Garmisch- Partenkirchen an und besichtige sie. Mein Navi zeigt mir den Weg zum Pfarrhaus der evang. Gemeinde, wo ich heute im Jugendtreff schlafen darf. 

Der Pfarrer und zwei Angestellte empfangen mich und wir unterhalten uns kurz. Ich bekomme einen Schlüssel und die Räumlichkeiten gezeigt. So kann ich duschen, meine Klamotten auf die Feuertreppe hängen und vor dem Häusel in Ruhe essen, telefonieren, schreiben...mit Blick auf die Zugspitze. Wahnsinn!




Morgens bin ich früh raus und habe mir bei Rewe Proviant besorgt. Einen Joghurt habe ich vor der Tür als Frühstück gelöffelt, denn der geht garantiert kaputt. 

Ich laufe zur Sebastianskapelle und komme an der Zugspitzen- Realschule vorbei. Ein schöner, traditioneller Bau mit großen Balkonen, wo jetzt die Türen zum Lüften offen stehen und mit einer TIEFGARAGE drunter. Vornehm! Vom Blick auf die Zugspitze ganz zu schweigen.


Die Via Romea verläuft heute fast ausschließlich parallel zur B2 und es ist nicht auszuhalten. Laster, PKW, Motoradgeschwader ...und auf dem schmalen Radweg überholen mich ständig klingende E- Biker. Ich versuche in eine kleine Straße zu flüchten. An deren nicht vorher einsehbaren Ende stehe ich auf einem Hof. Der Bauer steht in der Tür und meint: Schön dass du mich besuchen kommst. Ich antworte: Ich wollte gern einen Kaffee trinken. Da lacht er schallend. Leider geht hier kein Weg für den Laien weiter. Er meint ich verlaufe mich, wenn er es mir erklärt. Mitkommen will er nicht, also drehe ich um und leide bis Gerold.  Dort sehe ich einen Strom " Badepilger" und frage, wie weit der Umweg zum See wäre. Zehn Minuten. Na die habe ich, um mich abzukühlen, denn die Sonne brennt schön heiß seit gestern herunter. Ein kleiner Weiher, umzäunt mit schattenspendenden Holzgerüsten und einen freigelegten Zugang zum Wasser. Für 2€ ist hier Abkühlung mit Blick auf die Berge möglich. Ich stürze mich in das erfrischend kalte Wasser und schwimme auf die Berge zu. Ich lege meine Sachen zum Trocknen in die Sonne und setze mich in den Schatten. Google zeigt mir einen anderen Weg zu meiner Jugendherberge. Eine halbe Stunde länger und dafür auf Wanderwegen. Jippijeh. Lieber Berg hoch und Berg runter und weiter laufen, als an dieser Straße lang. Ich verpasse ein paar Kirchlein und alte Räderspuren, letztere sind für mich eh nicht spannend. Es geht ziemlich steile Passagen mit Schotter rauf und runter und auch hier werden Fahrräder geschoben, sodass ich manchen Fahrern mehrmals begegne. Vorbei geht es an einem Hotel mit Biergarten und danach steil aufwärts auf die Buckelwiesen. Hier ist der Name Programm. Die frisch gemähten Wiesen haben ganz viele kleine Buckel.  Ich stehe oben und habe einen 360° Bergpanoramablick. Wow, hier hat es der liebe Gott übertrieben. Ich bin fasziniert und drehe mich im Kreise. Das Herz hüpft vor Freude und ich jauchze aus voller Seele. Das Karwendelgebirge und das Wettersteingebirge dominieren das Bild. Berge, Berge...Alpenglück. Ich bin so fröhlich, so fröhlich....Hermann van Veen`s Refrain geht mir durch den Kopf und ich bin es wirklich.


An der Goas- Alm lockt auch ein Biergarten, aber ich möchte eine Dusche. Es ist recht heiß und die Jugendherberge nur noch 10 Minuten entfernt.

Ich komme da an und alles ist offen, aber niemand da. Also setze ich mich auf die Terrasse und hänge meine Klamotten zum Trocknen. Ich suche erfolglos ein Waschbecken und einen Kaffeeautomaten. Finde Orangensaft im Speiseraum und bediene mich frech. Ich setze mich vor die " Hüttn" und esse aus dem Rucksack Brioche, Apfel, Nüsse und Heidelbeere mit Blick in die Berge. Zeit zumTagebuch schreiben und ausruhen bis 17Uhr, denn erst dann ist die Rezeption besetzt.




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