Der neue Weg zeigt sich wie der Alte: erst einmal steil aufwärts, um dann einen wunderschönen Kammweg hoch über den Tälern zu genießen.
Mein Führer sagt, diesem Steig folgen, bis zu einem Forstweg und dann rechts.... Daraufhin stellt sich mir die Frage: Wie breit ist ein Forstweg?
Der Steig den ich laufe, ist tief ausgewaschen, extrem steil und etwas für Schmalfüßige. Im Wald wird er kurzzeitig Kinderwagenbreit, aber sind Forstfahrzeuge heute so schmal? Am Ende komme ich auf eine Asphaltstraße. Rechts geht es zum Ausgangsort, links zum Zielort und geradeaus ein Forstweg, der über das nächste Tal führt.
Die Nacht war recht frisch, doch ich wollte weder die Fenster schließen, denn es müffelt recht stark, noch mir eine Flohdecke nehmen. So wickel ich mich in mein Fensterlederhandtuch und schlafe fröstelnd bis 6 Uhr. Beim Bäcker gibt es lecker Teilchen und so koche ich mir noch einen italienischen Kaffee und frühstücke in der Herberge.
Dann kommt die Steigung des Tages: 1,5 Stunden steil bergauf, mehr Höhen- als Wegmeter. Wieder sind hier die Fliegen, Bremsen und ähnliches Getier im Sturmangriff und Tiefflug dabei mich anzufallen. Ich vermisse wieder die Vögel im Wald, die hier doch reichlich Futter fänden. So wedel ich mit den Stöcken, setze eine Fuß vor, wedel...mühsam und hübsch nass geschwitzt komme ich oben an. Zwischenzeitlich dachte ich, ich bin vom Weg angekommen, denn er war total zugewachsen und ich brauchte die Stöcke um sie als Machete zu schwingen. Doch als ich dieses Dickicht überwunden hatte, sah ich ein Wegzeichen.
Oben dann eröffnete sich mir ein Blick in die grüne Hügellandschaft des Nationalparkes, der mir die Freude in die Glieder treibt. Ich reiße die Arme hoch und jauchze. Es schallt in den Hügeln wieder. Bruni allein im Wald! Genial!
Auf einem Forstweg, der als solcher zu erkennen ist, geht es jetzt eine ganze Weile oben weiter und nur leicht bergab. Die Sonne scheint durch die Bäume und klöppelt zarte Schattenspitzen auf den Boden, der von Kiefernzapfen und - Nadeln übersät ist. Der würzig- warme Sommergeruch steigt mir in die Nase und hier tummeln sich wieder jede Menge Schmetterlinge.
Ich komme an einem Haus im Wald vorbei, wo ein älterer Mann versucht eine klemmende Tür zu mobilisieren. Ich grüße ihn und ein Wort gibt das nächste und eine Geste die andere...und schon sitze ich in der Hollywoodschaukel, bekomme Kissen und mache eine Pause. Wir " fachsimpeln" über die Tür und nach 3x -ligen Aushängen mit meiner Hilfe, Sprengringen und Stemmeisen funktioniert sie wieder. Als Dankeschön teilt er seinen Kuchen mit mir und bietet mir Bier bzw. Wein an. Den Kuchen esse ich gerne, den Alkohol lasse ich, denn ich muss noch abwärts laufen. Er gibt mir zu verstehen, dass alle Deutschen Bier trinken. Ich bestätige es imm, berufe mich aber auf den Abend.
Dann geht es nur noch bergab, mal engfüßig und steil, mal sanft und breit bis zu einer Strasse, wo mich ein starker Brandgeruch empfängt. Tatsächlich ist hier ein Stück Wald verbrannt.
Schon laufe ich zur Mittagszeit ( ich bin echt schnell unterwegs gewesen, bzw. mein Kilometerzähler gibt weniger an, als der Pilgerführer) in Corniolo ein. Dort werde ich von Leonardo empfangen und er öffnet mir die Pilgerherberge. Dazu gibt es eine temperamentvolle Einweisung in italienisch, englisch und mit vielen Gesten in die Herberge, den Nationalpark und das Dorf. Heute ist es " Casa Bruni" wie er mir erklärt und ich möchte sie bitte ordentlich verlassen, denn er kümmert sich freiwillig um das Haus. Es ist wirklich süß und liebevoll, natürlich leicht angestaubt, eingerichtet. Es gibt Kaffee, Tee und sogar ! W- LAN!! Die erste Herberge mit allem Komfort.
Ich bin begeistert und gebe meinen Teil zurück, indem ich eine Stunde meiner Zeit dem Häuschen widme und Staub Wäsche, Bad putzen, Bett desinfizieren und die Böden wische. Jetzt ist es " Casa Bruni".
Dann dusche ich mich, hänge die Wäsche hinter das Haus und erkunden das Dorf. 180 Einwohner, 2 Albergos mit Restaurant, 1 Laden mit " allem" und integrierter Bar und 2 Kirchen! Wie geht das? Alle offen ( Vormittags und Abends) und alle überleben. Ich bin sprachlos.
Nach einer erholsamen Nacht in der " Casa Bruni " koche ich mir einen Kaffee, räume auf und verlasse das Häuschen. Ich verabschiede mich herzlich von Leonardo und dann geht es auf zur " Königsetappe ". Heute werden Höhenmeter geschrubbt. Es geht auf den höchsten Punkt meiner Pilgerreise. Wie fast jeden Tag zweifel ich an meiner Auffassungsgabe, wenn es darum geht meinen Führer zu verstehen. Ich laufe glatt wieder falsch in eine Straße und zum Glück kommt ein kleiner Italiener, der mich zurückpfeift. Ich beschließe mir nur die Wegpunkte zu merken und mich auf die Ausschilderung des Nationalparks zu verlassen. Eine kluge Entscheidung, denn so komme ich gut vorwärts.
Der Wald ist wunderschön und ich vermute unter den Wurzeln wohnen Zwerge, Gnome Elfen...einfach märchenhaft. So komme ich recht flott zum Passo Calla auf 1200m und danach wird der hundertjährige Buchenwald noch bezaubernder.
Als ich auf der alten, gepflasterten Handelsroute laufe, denke ich an die vielen Menschen die diese Route genutzt haben. Was haben die wohl alles geschleppt. Da sind meine 12kg Rucksack plus 2,5 l Wasser und Verpflegung sicher nichts. Ich bin wiedermal beeindruckt.
So gelange ich auf den Kamm der die Emilia Romagna von der Toscana trennt und auf den Poccio Scali mit 1520m, der höchste Punkt meiner Tour! Wahnsinn! Oben sind zwei Forstarbeiter, denen ich erkläre, was der Berg für mich bedeutet. Sie freuen sich an meinem Freudentanz, gratulieren mir und ich bekomme ein Foto.Ich komme zum Eremeo Camadoli und da steppt der Bär. Hier wird mit dem Auto, Wohnmobil oder Motorrad heraufgefahren, um die Einsiedelei mit einer italienischen Führung zu besichtigen. Das ist mir zu rummelig und unverständlich. Ich bekomme von einem netten, jungen Angestellten, den Tipp über einen Seiteneingang die Kirche kostenlos besichtigen zu können. Von da aus sehe ich auch die schlichten Eremeohütten. Das ist genug für mein Pilgerseelchen.
Ich setze mich in die Sonne und gönne mir noch eine Pause, denn der Abstieg durch einen sehr schottrigen Hohlweg hatte es in sich. Ich hatte ernsthafte Befürchtung mir die Haxen zu verknicken oder schlimmeres.
Wie ich da sitze kommt doch tatsächlich ein PILGER an und auch noch ein Deutscher! Na wer sagt es denn! Es gibt sie doch noch! Benjamin, aus Dortmund, ist nur dem Namen nach klein (1.90) und lebt auf großen Fuß- Schuhgröße 46. Er ist vor drei Tagen von Florenz aus gestartet und läuft bis Assisi. So habe ich das erste Mal, auf den letzten 3km der heutigen Etappe, Begleitung. Wie schön ist das denn? Und weil es so wunderschön ist, treffen wir uns noch zum Abendessen.
Ich habe heute mal wieder ein Hotelzimmer, dass mir zum Preis von 75€ angeboten wurde. Holger hat es dann bei booking für 60€ gebucht. Der Standard ist eine Frechheit, aber das wirklich Freche an der Geschichte, ist dieses Schild an der Tür!
Aber ich ärgere mich nicht darüber, denn der Spezialpreis ist sicher nur für italienische Pilger.😇
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