Samstag, 29. Mai 2021

Es geht doch wieder weiter

Ich fahre von Hof mit dem Zug über sieben Ecken nach Lichtenfels zu meiner Caminobekanntschaft um 2 Tage zu pausieren und meinen geschundenen Füßen eine Pause zu gönnen. Im Zug schaue ich aus dem Fenster und sah herrliche Hügel und Wälder. In meinem Innern tobte es. Ich komme mir wie eine Betrügerin vor. Zug fahren, statt pilgern. Wäre die "Bettenline" und das Quartierproblem nicht, könnte ich in Hof abwarten und dann weiter ziehen. Nun muss ich ein paar Etappen auslassen. So fahre ich Zug und werde von Ringo herzlich in Empfang genommen. Wir haben nach 5 Jahren sofort den Draht zueinander wieder gefunden und haben reichlich Gesprächsstoff. Ringo habe ich auf dem Camino in Spanien kennengelernt. Er war der Mann, der seinen Traktor verkauft hat, um pilgern zu gehen und auf dem Weg über sein Leben nachzudenken und ihm eine neue Richtung zu geben. Dies ist eine meiner Lieblingsgeschichten, die ich auf dem Weg gefunden habe.Unterwegs traf er Tracy, eine Amerikanerin. Damit begann eine Hollywood- Camino- Liebesgeschichte, welche Beider Leben veränderte und eigentlich filmreif ist. Seit zwei Jahren sind sie verheiratet. Ringo fasst es so zusammen: " Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich "kleiner" Junge aus dem Osten eine Amerikanerin heirate, hätte ich es nicht geglaubt". Das sagt doch alles. Er heizt die Sauna ein und so komme ich noch zu einem entspannenden Saunagang. Tracy kommt spät aus Prag nach Hause und wir plaudern über unsere Erinnerungen. Es ist witzig zu hören, wie unterschiedliche Erfahrungen wir gemacht haben und an welche lustigen Episoden wir uns erinnern. Am nächsten Tag haben die Beiden noch zu arbeiten und ich lege wirklich den ganzen Tag die Füße hoch und lese. Wir treffen uns zu den Mahlzeiten und ich merke, dass die Pause meinem Körper gut tut. Abends schauen wir uns meine Bilder vom Jakobsweg in Frankreich an. Da ich aber viel erzähle schaffen wir nicht alle und so gibt es am Samstag morgen nach dem Frühstück die restlichen Bilder und ich nehme ihnen das Versprechen ab, dass wir uns die Deutschlandbilder in Leipzig anschauen. Ich treffe die Entscheidung auf meine Füße zu hören und die Pause in Bayreuth vortzusetzen. So verpasse ich drei Etappen. Holger tröstet mich und meint, entweder ich hole sie einfach nächstes Jahr nach, wenn ich so traurig bin, oder ich nehme es mit Lässigkeit, denn bei der Gesamtkilometerzahl ist es doch völlig egal, ob ich 2000km oder nur 1940km gelaufen bin, zumal ich mich eh immer mal wieder verlaufe. Recht hat er! Mein Pilgerherz wird es verkraften und meine Füße und mein Knie danken.
So fahre ich nach Bayreuth und besuche als erstes die Stadtkirche, wo es einen Pilgerstempel gibt. Dann laufe ich zu " Mama" Rummel, der Mutter eines Bekannten, die mich warmherzig aufnimmt und mir ihr hübsches Gästezimmer hergerichtet hat. Der Nachtisch ist mit liebevollen Kleinigkeiten bestück. Eine Nachbarin hat mir Fußbad und ein Pilgerprospekt dazugelernt, als sie hörte, was ich vorhabe. Frau Rummel ist sehr um mein Wohlergehen besorgt und zaubert in ihrer Küche ein Festmenü. Dabei gehe ich ihr etwas zur Hand und wir verstehen uns sofort. Da wir so fröhlich plaudern verschiebt sich ihr Tagesablauf komplett, aber sie nimmt es mit Humor. Eben jene Nachbarin ( weit über die 90) kommt auf ein Plauderstündchen rüber und hat ganz viele Fragen. Sie hört hoch konzentriert zu und ich bin von ihrer Vitalität begeistert. Abends spielen wir " Rummikap" und haben dabei jede Menge Gesprächsstoff. Am Pfingstsonntag frühstücken wir gemütlich und gehen dann zum Gottesdienst in die Stadtkirche. Der musikalische Rahmen ist sehr schön, nur die akustische Ausgestaltung hätte eines Mikrofon bedarft. Gesang zur Orgel und Oboe ist schwer verständlich. Die Predigt des Pfarrers kommt etwas trocken- angestaubt daher und ein wenig Aktualität hätte nicht geschadet. Anschließend begeben wir uns auf einen kleinen Stadtrundgang
Damit die Zeitplanung in etwa stimmt, habe ich Frau Rummel überredet, dass wir zeitig Kakao trinken, ihre göttliche Quarktorte genießen und Abends kochen. Die Zeit ist sehr kurzweilig und abends ist nochmal " Rummikap" angesagt, bevor wir schlafen gehen.
In der Nacht schlafe ich das erste Mal ohne Schmerzen und mein Körper hat sich gut erholt. So kann ich weiter gehen mit dem Vorsatz, wo möglich, die Etappen zu verkürzen und meinem Körper regelmäßige Ruhepausen zu gönnen. Am Montag verabschiede ich mich nach dem Frühstück von meiner tollen Gastgeberin und sie bringt mich noch auf den rechten Weg an den Roten Main. Und dann tragen mich meine Füße und Gedanken durch das ehemalige Gartenschaugelände zur Kirche St. Johannis und zur Erimetage.
Es geht einen Berg hinunter und dann begeistert das erste Schid: Biergarten geöffnet! Hurra, das Leben wird normaler.
Ich laufe auf herrlichen Wiesenwegen bei trockenen, teilweise sonnigen Wetter und genieße jeden Schritt. Dabei höre ich nach innen. Alles paletti! Der Weg verändert sich. Ich laufe auf Waldwegen bergauf und bergab, mal am und mal über den Roten Main, dann wieder oberhalb und runter. Nach einer kleinen Pause in Aiching geht es fröhlich und schmerzfrei auf Wald- und Forstwegen weiter. Zur Mittagspause verweile ich an einer Bank mit Fernsicht, bevor es auf einem Waldpfad parallel zur Bahnlinie nach Creußen geht. Die hiesige Kirche ist eine Baustelle und somit geschlossen. Ich habe Glück, denn der Pfarrer belädt gerade seine Familienkutsche mit Sack und Feuerschale. So kann ich um einen Stempel bitten und bekomme ihn auch. Noch 4km muss ich laufen, bevor ich zum herrlich renovierten und mit glücklicher Hand sanierten Bauernhaus der Familie Lindner in Schwürz komme. Der Staudengarten vor dem Haus ist ein Farbenspiel und Wunderwerk der Mutter des Hausherren.
Silvia, Horst und die Hündin Ronja begrüßen mich freundlich. Ich bekomme Kaffee und ein kleines Gespräch, bevor ich zu meiner Routine aus frisch machen, Wäsche waschen und ausruhen komme. Abends darf ich mit am Familientisch sitzen und wir unterhalten uns über das Pilgern allgemein und wie sie dazu gekommen sind Pilger zu beherbergen. Ich zeige ihnen die Fotos von den Pilgerwegen in Deutschland und wir haben einen netten Abend. Morgens bekomme ich einen Kaffee der jede Müdigkeit vertreibt und ein leckeres Frühstück. Käsebrot zum Mitnehmen darf ich mir auch schmieren und dazu eine dicke, knackige Möhre. Dies ganze beruht auf Spendenbasis. Ein tolles Angebot, dass ich mir des Öfteren wünschen würde. Nicht allein beim Essen zu sein ist für mich ein Geschenk. Dann starte ich in einen feuchten, windigen, ab und an sonnigen Tag. Horst mit Ronja zeigen mir den richtigen Weg. Los geht's. Erstes Ziel ist die Rotemainquelle an der es richtig schüttet. Auf Forstwegen, vorbei an Windrädern geht es dann wieder etwas trockener weiter, vorbei an Wiesen und Feldern mit schönen Weitblicken. Am Friedhof in Lindenhardt kommt der nächste kräftige Guss, denn ich unter dem Dach der Feierhalle im Trockenen abwarte. Die Kirche ist geschlossen und auf der Straße trifft mich der nächste böige Schauer, sodass mein rotes Ballonregenkleid im Wind tanzt. Ich komme an einer Rinderherde vorbei und den Bullen gefällt mein rotes Kleid nicht so gut. Sie laufen recht flott auf den Elektrozaun zu und ich bin froh, dass er uns trennt.
Jetzt geht es durch einen lichten Wald voller Heidelbeerbüsche und dann kommen mehrere Wegweiser mit Fernzielen. Rom ist nicht dabei. Am Waldrand sehe ich die ersten blühenden Lupinen. Ich komme nach Lehm, wo es eine Holzofenbäckerei mit Spielplatz gibt, der überdachte Picknickplätze hat. Ich kaufe mir Teilchen für Vesper und Abendessen und erbitte heißes Wasser für einen Tee. Ich setze mich auf eine Picknickbank auf die rechte Seite und der nächste Schauer bringt Wind und Regen von der rechten Seite. Also Wechsel ich auf die linke Seite und der Wind wechselt auch.Schlussendlich sitze ich auf dem Tisch und verzehre mein Mittagsbrot. Nach drei weiteren Schauern im Wald und auf freier Flur erreiche ich Pegnitz und schaue zuerst in die Kirche. Es gibt eine "Jukebox" mit Musik zum meditieren. Welch wunderbare Idee. Ich danke und lese die Losungen, bevor ich im Pfarramt ein nettes Gespräch mit dem Pfarrer habe und Zugang zum Gemeindehaus bekomme. Heute Nacht darf ich hier schlafen und bekomme zu meiner Isomatte noch zwei weitere. Ich bin die Prinzessin auf der Erbse.
Ich koche mir einen Kafffee und verspeise mein leckeres Schokoplunderteilchen. Ich gehe mir etwas zum Abendessen besorgen und treffe drei Pilgerinnen, die für 4 Tage von Bayreuth nach Nürnberg pilgern. Rasch ergibt sich ein Gespräch, bevor sie zu ihrem Gasthof gehen und ich vor dem nächsten Schauer in meiner Herberge bin. Ich telefoniere mit Holger, wasche mich und meine Sachen, esse Abendbrot und gehe früh schlafen. Die Matratzen lege ich an einen Schrank damit sie nicht wegrutschen und dann schlafe ich ewig nicht ein. Meine Gedanken kreisen bis 23 Uhr. 1.30Uhr schrecke ich aus einem Alptraum hoch und dann bin ich noch zweimal wach, bevor ich 6.30 Uhr aufstehe. Sie morgendliche Pilgerroutine und ein kleines Frühstück. Ich Räume alles ordentlich auf und bin kurz vor 8 Uhr im Pfarramt, wo ich den Schlüssel abgebe und meinen Obulus bezahle. Ich habe gestern einen Testtermin gebucht und so werde ich 8.05 negativ getestet. Es kann also weiter gehen. Heute Nieselregen und ein paar fette Schauer, sodass ich recht nass durch die Welt ziehe. Der Wind der gestern mich zwischenzeitlich trocknet, fehlt heute. Ich laufe aus der Stadt auf einen Feldweg und dann in einen herrlichen Wald mit wurzeldurchwirkten Waldwegen, schmalen Pfaden und breiten Forstwegen. In Bronn gehe ich zur Kirche. Sie ist geschlossen, das Pfarrhaus leer und unter den angegebenen Telefonnummern ist niemand zu erreichen. In der gegenüberliegenden Bibliothek gibt mir eine Dame den Schlüssel und findet auch noch einen Stempel. Der Bäcker hat Urlaub und so gehe ich weiter. Am Abzweig kommen mir die drei Mädels entgegen und ich kann schon mal Auskunft geben. Jetzt geht es weiter und statt das Rauschen des Windes höre ich heute das Rauschen der A9, die hinter dem Wald parallel verläuft. Auch der Gesang der Vögel wird übertüncht. So komme ich klitschnass und etwas fröstelig nach Beetzenstein, wo auch der Bäcker Urlaub hat. Ich ziehe in der Kirche ein und bitte einen jungen Mann, der in einer Garage sein Auto pflegt, um heißes Wasser. Kein Problem. Die Oma fragt mich, ob ich auch ein Brötchen möchte. Das nehme ich sehr gern, denn ich habe noch Käse im Rucksack. So sitze ich in der Kirche, esse etwas, wärme mich am Tee, ruhe etwas aus und wechsel die nassen Socken und Einlegesohlen gegen Trockene. Nun geht es zum letzten Stück der Etappe in einen verwunschenen Buchenwald mit riesigen Buchen und bemoosten Steinquacken. Es geht recht häufig bergauf und bergab und durch den Regen ist es sehr rutschig. Zum Glück habe ich meine Stöcke, die den einen oder anderen Kniefall vereiteln. So komme ich völlig durchnässt in der heutigen Unterkunft, einem Bettenboden im Gasthof an. Der Bettenboden ist ungeheitzt und eiskalt. Dafür ist die Dusche heiß und ich drehe die Heizung im Bad auf, um die Wäsche zu trocknen. Die Schuhe bearbeite ich eine Weile mit dem Fön, denn sie sind klatschnass.
Der Schlafboden ist gut durchdacht mit Kleiderbügel am Balken und neben jedem Bett sind genügend Steckdosen. Die drei Mädels kommen auch völlig nass an und beziehen ihre Betten. Abends esse ich im Gasthof allein ( Coronaregeln) Käse- Bärlauchspätzle, die sehr lecker sind. Ich gehe früh zurück und telefoniere mit Holger. Da die Verbindung schlecht ist, ist das Gespräch recht kurz. Ich schlafe schnell ein und eine Stunde später wecken mich die Mädels mit 2 Flaschen Wein und so halten wir einen Mädelsabend und klönen nett. Nachts liege ich zwei Stunden wach, weil ich mir Gedanken mache, die mich nicht schlafen lassen. Als 7 Uhr das allgemeine Aufstehen beginnt, bin ich ein bissel müde. Frühstück lasse ich ausfallen. Ich bezahle meine Unterkunft und die zwei Brezeln und verabschiede mich von den drei Frauen, die heute wieder nach Hause fahren. Es ist echt frisch und ein grauer Himmel lässt nichts Gutes ahnen. Ich laufe los, wieder durch herrliche Buchenwälder, Hohlwege und vorbei an Wiesen und Feldern. In Hiltpoltstein setze ich mich in die Kirche und frühstücke meine Brezen mit Apfel und getrocknete Mango. Das schmeckt herrlich. Weiter geht es. Es bläst ein kühler Wind, aber es bleibt trocken. Vorbei an den ersten Weinreben, Hopfenstangen, Apfel- und Kirschbäumen komme ich schon am frühen Nachmittag in Gräfenberg an.Ich laufe über den Michaelisberg, auf dem ein Kriegs- und ein Friedensdenkmal stehen, von oben in die Stadt ein. Einen Stempel in der Kirche, ein paar Fotos von den schön sanierten alten Häusern und beim Bäcker zwei Teilchen gekauft. Dann gehe ich zur Lindenbräu- Brauerei, die auch ein Gasthaus betreibt. W- Lanempfang ist auch hier grottenschlecht, sodass dieser Blog noch länger wird, weil ich keine Bilder hochladen kann. Kaum bin ich im Zimmer und esse meinen Erdbeerkuchen, fängt es an zu schütten. Das bleibt so den ganzen Nachmittsg. Ich drehe die Heizung hoch und trockne meine Wäsche,
lege die Beine hoch und lese. Abends gönne ich mir ein Essen im Gasthof, da ich keine Lust auf einen Regenspaziergang zum Supermarkt habe.

1 Kommentar:

  1. Meine liebe Bruni, lauf weiter, tapfer, den Regen mögen die Wolken behalten. Toi, toi, toi besonders für Füsschen ohne olle Blasen, Kniee in bester Verfassung und und einen festen Schlaf, der Dir den folgenden Tag erholt einleiten soll. Guten Weg von der Susanne

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