Donnerstag, 15. Juli 2021

Mein Körper schreit nach Pause

 Nach einem sehr übersichtlichen Frühstück breche ich von Harburg auf und stürme als erstes den Edeka- Markt, um mir Proviant zu kaufen. Dabei sehe ich, dass die Uferstraße wegen Hochwasser gesperrt ist und ein Boot am Parkplatz angelegt hat. Ich frage mich, wie das dahin kam, denn die Strömung auf dem Fluss ist recht stark.  Ich laufe an einer Schule vorbei und entdecke, dass sie im Erdgeschoss ein eigenes Schwimmbecken hat. Wie vornehm! Es geht bergauf  über eine kleine, wenig befahrene Landstraße in einen Wiesenweg. Nebel steigt auf und das erste " Svarowskifunkeln" versetzt mich in Staunen. Da der Weg breit und relativ trocken ist, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf und beobachte sie.( Joachim, erinnerst du dich?) Die Sonne kommt raus und ich habe herrliches Wanderwetter. Ein Hase hoppelt vor meine Füße und schlägt Haken. Auf einer Bank mit Blick auf Donauwörth ist große Pause. Eine Frau kommt vorbei und fragt mir "Löcher in den Bauch." Dann meint sie: Oh jetzt habe ich auch Lust loszulaufen." Na dann....



Ich laufe durch Donauwörth,  hole mir einen Pilgerstempel und schlender durch die Altstadt. Heute habe ich ein Bett über ein Pilgerforum gefunden, allerdings hat die Dame auf meine Antwort nicht reagiert. Eine Telefonnummer oder genaue Adresse habe ich nicht und so lasse ich es darauf ankommen und werde einfach zu ihr laufen. Schließlich kennt auf dem Dorf jeder Jeden. So setze ich meinen Weg in der prallen Sonne ( irgendwie gibt es nur Extremwetter) auf Feldwegen nach Mertingen fort, wo ich bei " Zott" vorbeikomme. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Firma ist, an die ich denke. Als ich über einen Gartenzaun um Wasser bitte, frage ich nach und erfahre, dass es die Joghurtbude ist und es im Ort einen Fabrikverkauf gibt. Den schaue ich mir an und mache einen " Hungereinkauf", denn mir knurrt der Magen.


Zum Glück habe ich einen Löffel dabei. 

Ich gehe bis Druisheim und frage am ersten Gartenzaun nach Sabine. Ja, sie ist bekannt und der Weg wird mir erklärt. So laufe ich hin, klingel und Sabine macht mir mit einem großen Hund die Tür auf. Sie ist verdattert, als sie mich sieht, denn sie hat meine Nachricht nicht erhalten. Aber es ist kein Problem. Ich kann duschen und mich ausruhen und abends sitzen wir in ihrem gemütlichen Garten und reden übers Pilgern. Sie pilgert auch oft und gern mit ihrer erwachsenen Tochter und sie schlafen dabei draußen in der Hängematte. Verrückt! Das traue ich mir nicht.

Nachts werde ich wach, weil mich Licht blendet. Es ist ein Blitz und es donnert und regnet in Strippen. Ich schließe das Fenster und hoffe und bete...

Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschiede ich mich von Sabine und laufe in einen grauen Tag. Mein Knie ist dick, der Stoß zeigt Folgen und ich bin froh eine Bandage dabei zu haben.

Am Ortsausgang steht die Kapelle zur schmerzhaften Mutter Gottes und ist verschlossen. Nix mit Rokoko! Die Gärtner davor haben auch keinen Schlüssel. Als ich gerade wieder gehen möchte, kommt ein älterer Herr über die Wiese und hat den Schlüssel. Nun kann ich schauen und staunen. Diese Kapelle ist so prunkvoll wie eine Kirche.



Durch einen matschig Fichtenwald laufe ich zum Kloster Holzen und bekomme im dortigen Hotel einen Stempel. Die Klosterkirche besichtige ich auch, allerdings erschlägt mich der Prunk und Protz und ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Dazu sind alle Bänke abgesperrt,  sodass ich stehen muss. Hier soll man nicht innehalten!? Ich setze mich auf eine Bank im Hof und versuche mein Glück eine Unterkunft zu finden. Das Pfarramt in Gablingen verweist mich an Stettenhofen und dort könnte ich im Gemeindesaal auf dem Boden übernachten. Da es noch ein gutes Stück Weg ist, laufe ich weiter. In Markt zieht der Himmel zu und es wird beängstigend dunkel. Für eine Pause suche ich ein Bushäuschen und die ersten Tropfen fallen. Ich finde keines und setze mich vor den überdachten Eingang eines Einfamilienhauses, wo niemand zu Hause ist.




 Die Welt geht unter und der Regen platscht in dicken Tropfen blasenbildend auf das Pflaster. Es wird nicht weniger, eher mehr und so verwandel ich mich wieder in einen roten Koloss und laufe los. Der Wind weht aus verschiedenen Richtungen und das Cape klebt an meinen Waden. Die Füße sind in Null Komma nix nass und ich habe wieder dass Gefühl, dass mein rechter Fuß überschwemmt wird. Die Wege sind alles Feldwege, offen und ohne Schutz und es wird noch schwärzer. So komme ich in Biberbach an und flüchten erst einmal in die Kirche, um Nachzudenken. Weiter laufen oder Gasthof? Als ich den Pilgerstempel finde, ist da ein Schild: Pilger willkommen! Wenn sie übernachten möchten...
Das ist ein Zeichen! Ich rufe an und darf ins katholische Pfarrhaus kommen. Hurra, ich bin gerettet. Der freundliche,  gemütlich dreinschauende Pfarrer gibt mir ein Biedermeierzimmer, so dass ich mich wie Gräfin Cosel fühle. Wahnsinn! Draußen geht gerade ein Gewitter runter! Gott sei Dank fand ich Zuflucht. Keine Minute zu früh. Im Gespräch mit dem Pfarrer erfahre ich, dass er den Osten sehr zugetan ist ( einschließlich Tschechien). Er gutes Essen, Wein, Bier und Schnupftabak mag und schon von Burgos nach Santiago in drei Wochen gepilgert ist. Allerdings hat er die Herbergen gegen Hotels getauscht, denn das wäre ihm zu hart gewesen. Er ist herrlich sympathisch und mein erstes Erlebnis mit einem katholischen Pfarrer auf diesem Weg. Ich erzähle ihm von meiner Überwältigung in der Kirche in Holzen und er meint, ja das ist schon etwas Anderes, als die kargen evangelischen Kirchen.
Ich bekomme noch eine Brotzeit, dann kann ich ausruhen und Wäsche und mich waschen. 
Ich stelle fest, dass mein rechter Schuh wirklich viel nasser als der Linke von innen ist. Da stimmt was nicht. Der Linke geht am Leisten aber auch schon kaputt und an den Nähten sind schon kleine Bruchstellen. Also werde ich einen Schuhmacher in den nächsten Tagen suchen müssen.



Abends kommt noch ein Pilger vorbei, der nur duschen möchte und dann weiterziehen will. So sitzen wir zu Dritt zusammen und unterhalten uns über Gott und die Welt. 21 Uhr werde ich müde und verabschiede mich kurz darauf ins Bett.
Am Morgen ist der Pfarrer etwas wortkarg und verpeilt. Als er den Kaffee einschränkt, merkt er, dass er das Pulver vergesse hat. Der 2. Versuch ist ein Weckruf an meine müden Glieder. Ich packe, verabschiede mich und möchte meinen Obulus zahlen. Ein Gebet in Rom ist der Preis. Na das werde ich erledigen und dazu noch eine Karte, wenn ich ankomme. Ich gebe ihm meine Adresse, falls er mal nach Leipzig kommt.
Ich starte mit dem Ziel Augsburg. Der Himmel ist grau, aber es ist trocken und angenehm warm. Der Mozartweg beginnt mit meinem Weg und ich Blicke nochmal zur Kirche zurück.
Es geht über Feldwege und wieder sehe ich Hasen, Störche und eine Gruppe Saatkrähen. 


Am Weg stehen verschiedeneKreuze und Gedankenimpulse und langsam klart es auf. So laufe ich an der Schmutter entlang und Wechsel dann zum Lech. In Gersthofen komme ich am riesigen Firmengelände von Humbauer- einem Anhängerbauer- vorbei und bin von der Größe fasziniert. Bei Edela kaufe ich mir Proviant und setze mich an den Lech zur Mittagspause. Die Sonne kommt raus. Herrlich so zu sitzen und auf das Wasser zu schauen. Auf meinen Rucksack landet ein Falter und pausiert auch eine Weile.

Ich laufe flotten Schrittes nach Augsburg. Am Ortseingang ist eine Containerstation und ich sehe, dass es manche Probleme in jeder Großstadt gibt. Mein Weg führt zur Jakobskirche. Dort ist alles geschlossen und ich erfahre, dass es den Stempel in einem Sportgeschäft gegenüber gibt. Ich schaue Interesse halber nach Schuhen, aber der führt keine Lowa- Schuhe.

Ich google einen Schuster und er schaut sich die Schuhe an. Er erkennt das Leck und erklärt mir, dass mein Schuster eine Pfeife ist.  Er hat beim Besohlen die Membran verletzt und den Absatz nicht ordentlich verklebt. Da kommt das Wasser rein. Da der Leisten auch kaputt ist und das Leder an den Nähten schon porös ist, lohnt die Reparatur nicht. Dauert auch zu lang. Drei Tage und 85- 100€, da müssen Neue her. Um die Ecke ist ein Outdoorladen , doch der hat nicht meine Größe und bestellt erst im Herbst wieder! Wie bitte??? Google an und schauen was es gibt. Ich lasse mich zu Sportcheck leiten. Der Verkäufer ist bemüht, allerdings gibt es das Damenmodell auch nicht in meiner Größe und die Bestellung dauert hier nur 2-3 Tage, aber dass ist auch zu lang. Der Typ erkennt meine Not und empfiehlt mir das Herrenmodell, dass vorrätig ist. O.k. Ich probiere und erkenne den Unterschied nicht. Es gibt nur einen Kleinen, er ist hinten höher geschnitten. Das stört mich nicht. Allerdings gibt es keinen Pilgerrabatt, sondern nur den Augsburgzuschlag. Ich plündern die Pilgerkasse mit 199,90€. In Görlitz habe ich für das Modell 179€ bezahlt. Den Kassenzettel werde ich gut aufheben.


Dann laufe ich zu meiner Übernachtung und entdecke kuriose Hausnummerierungen: 45 einholen, 45 einbetten und...

Bei Steffi, einer Freundin, einer  Freundin, meiner Freundin Claudia.... darf ich heute übernachten und ich kann mich mit einem Sprudelbad verwöhnen. Sie gibt mir eine kurze Bedienungsanleitung für ihr Haus und fährt dann zu einer Geburtstagsfeier. Ich dusche, wasche, pflege mich und lege die Füße hoch. Das ist herrlich. Mein Knie ist immer noch dick und wenn ich es durchdrücke knirscht es im Gelenk, allerdings schmerzt es beim Laufen recht wenig. Ich glaube mein Körper will mir etwas sagen. Er braucht eine Pause. So frage ich Steffi, ob ich zwei Nächte bleiben darf. Da sie mich nicht bemuttern muss und ihre Männer ausgeflogen sind, hat sie nach einer kurzen Irritation, nichts dagegen. 


Morgens werde ich gegen 8Uhr wach und draußen regnet es. Ich komme langsam in die Gänge und mache mir Frühstück. Ich lege die Füße hoch und recherchiere, wie es morgen weiter geht. Ich stelle fest,  dass ich von hier direkt auf den Weg komme ohne nochmal zurück in die Altstadt zu müssen. Super. 
Dann schaue ich, wo die nächsten Einkaufsmöglichkeiten gibt und besorge ein paar Dinge, die zur Neige gehen. In einem Coppyshop kann ich an den PC um meine Fotos von Handy und Fotoapparat auf einen Stick zu speichern. Sicher ist sicher.
Ich kaufe Blumen für Steffi und Kuchen und etwas zum Abendessen und gehe dann zurück. 
Ich lege die Füße hoch und lese. Für eine Stadtbesichtigung fehlt mir die Muse, das Wetter ist unbeständig und außerdem laufe ich dann doch wieder zu viel rum. Augsburg kommt auf die Agenda der Städte, die ich irgendwann mal besuchen muss. Dafür kommt die passende Gelegenheit. Heute nicht.
Abends kommt Conny, die Freundin von Claudi vorbei. Ich koche uns etwas und mit einem Glas fränkischen Wein verbringen wir zu Dritt einen netten Mädelsabend. Dann heißt es Abschied nehmen, denn ich gehe weiter, ausgeruht und mit neuen Schuhen. Mögen sie mir Glück und keine neuen Blasen bringen.( Die Letzten sind gerade versorgt.)



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