Dienstag, 27. Juli 2021

Zweisamkeit

Die Etappe nach Innsbruck war in der zweiten Hälfte nicht vergnügungssteuerpflichtig, denn ich lief direkt neben der Leitplanke der Autobahn auf dem Inntalradweg. Ich habe meinem Führer vertraut und sehe nun im " Autorausch" auf der anderen Innseite eine kaum befahrene Landstraße und später eine Badestelle, wo ich am Ufer hätte laufen können.

Endlich kommt eine Brücke und ich schere aus. Da erwartet mich ein wunderschöner Fußweg, getrennt vom Fahrradweg, direkt am Inn entlang, wo ich die Füße kühlen kann. Ich laufe beschwingt weiter, denn ich bin dem Stress entronnen. An einem Haus bitte ich um Wasser und bekomme kaltes Wasser aus dem Gartenschlauch. So laufe ich bis zur Brücke vor dem Jakobsdom und quere den Inn noch einmal, um vorbei am goldenen Dachl  zum Dom zu laufen. Ich bin angekommen! Hurra! Per Telefon bekomme ich die Wegbeschreibung zur Herberge und den Code für die Schlüsselbox.

Gerade rechtzeitig, vor einem Gewitterguss beziehe ich das " Klara- Zimmer" in der Herberge. Ich dusche, wasche Wäsche und laufe durch die Innenstadt. In einer Pizzeria an der Fußgängerzone setze ich mich hin und genieße eine Pizza Rucola mit Oliven und Schafskäse.  Sehr lecker. Dann gehe ich früh schlafen.



Am Sonntag gehe ich zur Messe anlässlich des Weltpilgertages. Katholische Messen geben mir nicht viel, doch die Musikeinlagen sind sehr schön. Anschließend nehme ich den Ruhetag wörtlich und lege mich ins Bett, lese und schlafe noch ein Stündchen. Ich gehe zum Bahnhof und Holgers Zug soll 30 Minuten Verspätung haben. So setze ich mich in den Warteraum mit Blick auf die Uhr. Plötzlich steht Holger vor mir! Der Zug hatte doch nicht soviel Verspätung und er hat mich gefunden. Prima, so plötzlich kommt es mir noch unreal vor. Wir bringen Hand in Hand Holgers Rucksack in die Herberge. Zusammen laufen wir durch die Altstadt und essen draußen vor dem Stiftskeller deftig Tiroler Schmankerln. Geht auch Vegetarisch.

Danach bummeln wir zusammen zurück. Holger meint er könne so früh ( 20Uhr) nicht schlafen, doch die Natur hat geht ihre eigenen Wege.

Linke und rechte Flasche bitte nicht verwechseln!😇

Montag morgen gehen wir noch etwas Proviant kaufen, frühstücken in einem türkischen Kaffee. Der Himmel ist voller Wolken und lässt Regen ahnen. In der Post schicke ich den alten Wanderführer und mein volles Tagebuch zurück. 500gr weniger tragen, dass lohnt sich. Als wir rauskommen reißt der Himmel auf. So soll es sein. 

Danach geht es los, gemeinsam, nicht mehr einsam. Ich schaue immer wieder zu Holger, da ich es immer noch nicht glaube, dass er da ist. Ich freue mich!

Unsere erste Anlaufstelle ist das Kloster Wilten, doch den Pilgerstempel gibt es nicht mehr.  Es geht aus Innsbruck steil bergauf hinaus. Die Wege sind abwechslungsreich und die Ausblicke, Weitblicke, Rückblicke und Rundblicke sind wieder gigantisch, unfassbar schön und Holger versteht meine Happyness. Auf einem Kinderspielplatz muss ich schaukeln. Wahnsinn.


Das Wetter spielt mit, doch auf freiem Wiesen weht ein kräftiger Wind, sodass die Temperaturen angenehm sind. Die erste Etappe ist zum warmlaufen und mit 16,5 km und etwas über 1000 maximalen Höhenmeter nachmittags geschafft.

Holger hat unser erstes Hotel gebucht. Grandios! Ein altes Haus, mit Tiroler Bauernmalerei verziert und das Zimmer modern in Holz, mit bodentiefer Glasdusche. Das Highlight ist eine eigene Wärmekabine in der ich natürlich 45 Minuten vollständig entspannen kann. 

Nach einem netten Frühstück schnüren wir unser Ränzlein und begeben uns zur nächsten Etappe in Richtung Italien. Der Himmel ist wechselnd bewölkt und die Temperaturen angenehm zum Laufen. Wir folgen auf weiten Strecken dem Wipptaler Wanderweg und er führt uns immer wieder über schöne Almwege oder romantische, schottrige Waldwege. Kleine Asphaltstrecken nehmen wir gelassen und oft geht es steil bergab und bergauf. Auf der anderen Seite verfolgen wir den Verlauf der Brennerautobahn und meist sind wir über deren Niveau, aber auch unter diesem. Die Blicke darauf und die riesigen Brückenbauwerke erinnern uns an Spielzeugeisenbahnplatten. Bizarr! Immer wieder Rauschen oder plätschern Bergbächlein unter Brücken hindurch und wir lauschen dem klarenWasser.

Oben: Richtfest am Spielhaus

Unsere erste kleine Pause halten wir am Bildungshaus St. Michael. Weiter geht es und die Wiesen blühen voller Kräuter und Gräser. Der Weizen beginnt sich golden zu färben und wiegt sich im Wind, der uns auf freien Flächen kräftig anpustet.  Wir kommen nach Steinach und verlassen den Weg, um im Ort in einer Bäckerei einen großen Milchkaffee und Schokohörnchen bzw. Apfelstrudel zu genießen. Oben, wo es nur noch ein, zwei Bauernhöfe gibt, begegnet uns eine Kehrmaschiene. Die Ösis halten ihre Orte sauber. Wir sind begeistert! Überall am Weg gibt es zahlreiche Bänke, Papierkörbe und Hundetütchen. Sehr vorbildlich! Das schafft Leipzig nicht einmal in der Innenstadt!

Frisch gestärkt gehen wir die letzten Kilometer an. Nun kommen wir auf den Padaster- Panoramaweg, der wie der Name es verrät  weitere bezaubernde Blicke in Täler und Berge erlaubt. Natürlich wieder rauf und runter und wir schrubben Höhenmeter. Ein kurzer Regenschauer sorgt für eine kleine Abkühlung unserer erhitzten Körper. In Stafflach führt ein sehr schmaler,  steiler Waldpfad hoch und runter nach St. Jodok, wo wir ein Bett im Gerarer Gasthof  reserviert haben. Ich habe den Eindruck, je höher die Höhenmeter desto höher die Preise. Der Gasthof hat auch schon bessere Zeiten gesehen und das Zimmer wirkt ziemlich altmodisch und ist uns eigentlich zu laut. Vor dem Fenster verläuft in geringem Abstand die Bahnlinie und die Hauptstraße des Ortes. Der Wirt meint, wenn wir das Fenster schließen, hört man nichts. Aber das können wir uns nicht vorstellen. Daraufhin zeigt er uns ein Deluxezimmer, das schon etwas moderner ist und das Fenster zur Seite raus hat. Holger ist das ein Aufpreis von 10€ wert. O.k.  das Luxuspilgern mit Holger hat begonnen. Ich bin sauer, dass die beworbene Sauna im Sommer garnicht an ist. Ich frage mich, was hier die 104€ rechtfertigt. Aber das sollte ich mich nicht fragen, sondern mich einfach freuen mit Holger gemeinsam hier zu sein.

Wir gehen zum Essen und sitzen neben dem Stammtisch. Hier gibt es genau dieselbe Wolfsdiskussion wie wir sie aus der Lausitz kennen. " www.ohnewolf.at". Draußen regnet es in Strippen und ich esse einen Kaiserschmarrn, dass einzige vegetarische Gericht auf der Karte. Damit habe ich aber kein Problem. Holger ist den zweiten Tag in Folge Wiener Schnitzel. Mein Teilzeitvegetarier!😀 Der Wirt kommt vorbei und hat festgestellt, dass wir ein ruhiges Zimmer bestellt haben und nimmt den Aufschlag zurück. Prima! Voll süß!



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