Montag, 4. September 2023

Sonne satt, Schweiß gratis

 Nach zwei wunderschönen Tagen bei unserem " Töchterli" trinken wir heute morgen noch gemeinsam Kaffee, bevor es mit Sack und Pack zum Bahnhof geht. 

Noch ein paar Teilchen zum Frühstück gekauft und in den ersten Zug gestiegen. Wir müssen 3x bis Orsières umsteigen und sind gespannt, ob alles klappt. Svea meint, auf die Schweizer Bahn ist Verlass, wir sind uns nicht sicher, da 2 Minuten Umsteigezeit beim letzten Umstieg uns recht sportlich erscheinen. 

Alles läuft, jeder Umstieg klappt und so fahren wir durch die Schweiz, vorbei an mehreren Seen ( Bieler See, Genfer See...) immer mit Blick in die Berge. Ehrlich, ich verstehe Svea, dass sie hier nicht mehr weg will. Wenn man jeden Morgen mit diesen Bergblicken wach wird, muss man doch den ganzen Tag lächeln. Es ist einfach wunderbar. Beim Treppenabstieg  im Bahnhof beim Umstieg verspüre ich ein leichtes ziehen in den  Oberschenkeln. Gestern ging es ziemlich steil und lange bergab.

In Orsières steigen wir bei strahlendem Sonnenschein und azurblauen Himmel aus. Im Bahnhof gibt es in der Touri- Info den 1. Stempel in unsere Pilgerpässe.  

Wir finden die Wegmarkierung und laufen los. Erst an der Straße, dann führt uns ein Schotterweg aus dem Ort stetig nach oben und in einer Kurve zweigt ein Pfad etwas steiler, über eine herrlich blühende Wildblumenwiese ab. Der Weg ist im Ort mit einem schönen Pilgermotiv hervor gehoben. Später finden wir den Aufkleber der Via Francigena und die Markierung des E70. 



Nach der Wiese laufen wir im Schatten hoher Bäume. Über uns bimmeln Kuhglocken, unter uns rauscht ein Bach. Ich bin sofort glücklich. Schmetterlinge im Bauch, Freude im Herzen und kribbeln in den Füßen. Ich bin wieder unterwegs und meine Gedanken schlagen Purzelbäume.


An einem Brunnen in Fornex füllen wir unsere Flaschen noch einmal mit kühlem, milchigem Wasser auf, bevor es weitergeht. An einer Kreuzung führt der offizielle Weg schottermäßig bergab, doch es gibt eine Alternativroute über einen schmalen Wandersteig nach oben in den Wald.  Wir entscheiden uns für Schatten und steigen steil bergauf. Der Pfad wird immer schmaler und schlängelt sich bald am Hang, relativ gerade, entlang. Es ist herrlich zu laufen. Doch der Rucksack sitzt noch nicht optimal. Also verstelle ich den Rücken etwas, stelle die Gurte neu ein und gleich läuft es sich besser. Mit den 2l Wasser schleppe ich gute 10kg den Berg hinauf. Trotzdem liebe ich das Gefühl, wieder auf dem Weg zu sein, mit der Natur eins zu werden und abends erschöpft und glücklich ins Bett zu fallen. Meine leichten Schuhe machen mir den Weg leicht und Holger gibt sein bestes. 😉

Von weitem hören wir schon das Wasser eines Bergbaches Rauschen, den wir über eine kleine Brücke queren. Hier treffen wir die ersten Wanderer des Tages. Der Weg ist mit tausenden, Tannennadeln und kleinen Zapfen gepolstert und es riecht nach Sommer. In regelmäßigen Abständen trinken wir etwas, denn der Schweiß läuft in Strömen. Aber lieber so, als Wind und Regen.

Später geht es bergab und der Weg führt in einen Forstweg, der zu einem Sträßchen führt. Hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Die Via Francigena über die Dranse nach Liddes oder auf der rechten Seite verbleibend direkt nach  Bourg- Saint- Pierre. Wir entscheiden uns über Liddes zu gehen und laufen so sehr steil, in Serpentinen, in den Ort hinauf.

Oben angekommen setzen wir uns in ein Restaurant, um bei Kaffee/ Weißbier eine Pause zu genießen. 

Dann geht es steil bergauf, aus dem Ort hinaus über Bergwiesen, in der prallen Sonne weiter. Gefühlte 30°C lassen uns immer wieder nach Wasser lechzen. Nun laufen wir die letzten 5km über offene Wiesen mit diesen gigantischen Bergblicken unserem heutigen Ziel entgegen.

Auf einem Stein, unter einem Busch im Schatten essen wir etwas, tanken Wasser und nehmen die letzten Höhenmeter in Angriff 

 Vor uns sehen wir 2 Wanderer in der Ferne und hinter uns quält sich auch eine Wanderin nach oben. 

Endlich zweigt der Weg leicht bergab nach rechts. Ein Schild verrät, nur noch 15 Minuten bis zum Ziel. Kaum sind wir um die Ecke, sehen wir unser Motel, dass am Ortsanfang liegt. Hurra, die 1. Etappe ist geschafft!

Holger ist ganz froh, dass ich mich bei der Planung der ersten Etappen durchgesetzt habe. Er wollte nämlich verlängern, da 13km ja nicht viel sind. Allerdings waren wir auch erst Mittags am Ausgangspunkt und ich wollte es am ersten Tag nicht übertreiben. Der Pilgerführer wird schon wissen, warum er die Etappen so gestaltet. Fast 1000 Höhenmeter in der Sonne sind extrem anstrengend und Holger ist froh, als wir 16.30 Uhr einchecken.

Das Motel erinnert mich an unser letztes Bungalowerlebnis in Tschechien. Rustikal, in die Jahre gekommen, Bettbezug und Handtuch leicht zerschlissen. Dafür eine kochend heiße Dusche und einen Wasserkocher. Seife ja, Shampoo nein. Frühstück inbegriffen für lässige 125 Schweizer Franken!!! ( Kurs 1 Frk= 1,05  €😇). Man gönnt sich ja sonst nix....oder...mit den Touris können sie es machen👎).


Wir duschen und haben vom Bett aus einen phänomenalen Blick auf die Berge. Nach einem Kaffee geht die Pilgerroutine los. Waschen, ausruhen, lesen...

Auf der Wiese neben dem Haus weiden die Esel und ich lächle in mich hinein, denn mein Buch, dass ich lese, handelt von einer Wanderin mit Esel auf dem E70, allerdings in Frankreich), welch ein Zufall...oder Zeichen!?


Abends gehen wir in das dazu gehörige Hotelrestaurant und essen typisch schweizerisch: Rösti mit Käse und grünen Salat. Mächtig, mächtig...Wir sind danach pappesatt und bettschwer😄






1 Kommentar:

  1. Kuh Glocken Geläut und Wasserfälle oder das Rauschen des Baches, welch eine Freiheit und Seelendusche.😍😌

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